Die Anstalt
bei Dienstschluss macht man einen Eintrag und unterschreibt. Auch wenn’s nur ein paar Wörter sind. Das läuft jeden Tag so. Das Dienstbuch soll es den Leuten von der nächsten Schicht leichter machen, über alles auf dem Laufenden zu sein.«
»Und gibt es ein solches Buch …«
Little Black unterbrach ihn. »Eines auf jedem Stockwerk, in jeder Pflegestation. Der Wachdienst hat seine eigenen.«
»Wenn man da drankäme, wüsste man also mehr oder weniger über die Abläufe Bescheid. Ich meine, über die Routineabläufe?«
»Die täglichen Einträge in das Dienstbuch sind schon wichtig«, sagte Little Black. »Man verliert dann nicht so schnell was aus dem Auge. Es muss alles, was hier drinnen passiert, irgendwie dokumentiert werden. Ist so was wie ein kleines Geschichtsbuch.«
»Wer hebt diese Dienstbücher auf, wenn sie voll sind?«
Little Black zuckte die Schultern. »Werden irgendwo unten im Keller in Kisten gelagert.«
»Aber wenn ich eines davon zu Gesicht bekäme, dann wüsste ich über alles Bescheid, oder?«
»Die Dienstbücher sind nicht für die Augen der Patienten bestimmt. Nicht dass sie versteckt werden oder so. Aber sie sind nur fürs Personal.«
»Aber wenn ich trotzdem eines davon in die Finger bekäme … und wenn es nur eines von den ausrangierten im Keller wäre, wüsste ich ziemlich gut Bescheid, wann was in welcher Zeit stattfindet, oder?«
Little Black nickte langsam.
Peter führte seinen Gedanken weiter, diesmal allerdings an Lucy Jones gewandt. »Ich hätte dann zum Beispiel eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wann ich in der Anstalt herumschleichen könnte, ohne mich erwischen zu lassen. Und ich wüsste auch, wann ich Short Blond in der Nachtschicht am besten allein in der Pflegestation auf dem ersten Stock finden würde, und ich wüsste, an welchem Tag sie ihre wöchentliche Doppelschicht hat, oder? Dann wüsste ich natürlich auch, um welche Zeit der Wachdienst schon lange durchgekommen wäre, um die Türen zu überprüfen und dann vielleicht ein Schwätzchen zu halten, so dass sonst außer ein paar schwer narkotisierten, schlafenden Patienten niemand in der Nähe ist, stimmt’s?«
Eine Antwort erübrigte sich, für Little Black genauso wie für die anderen.
»So ist er draufgekommen«, sagte Peter leise. »Er weiß es nicht absolut sicher, mit militärischer Präzision, aber er weiß genug, um mit ziemlicher Sicherheit und ein bisschen Weitblick abwarten und sich die richtigen Zeiten heraussuchen zu können.«
Francis hielt das für möglich. Es rieselte ihm kalt den Rücken herunter, weil er unwillkürlich denken musste, dass sie sich gerade dem Engel einen Schritt genähert hatten und er dem Mann sowieso schon viel zu nahe gewesen und nicht unbedingt erpicht darauf war, diesem Messer und dieser Stimme noch einmal in die Quere zu kommen.
Lucy schüttelte mehrmals hintereinander den Kopf und sagte zu Peter und Francis: »Auch wenn ich nicht den Finger darauf legen kann, aber irgendetwas stimmt hier nicht. Nein, das trifft es nicht, ich müsste wohl eher sagen, etwas stimmt und stimmt auch wieder nicht.«
Peter grinste. »Ach, Lucy«, sagte er in der Art von Gulptilil, der seine Sätze gerne mit einer gedehnten Pause einleitete, und fing im charakteristischen Tonfall des indischen Arztes den Satz noch einmal von vorn an: »Ach, Lucy, was Sie da sagen, zeugt von der Logik, die hier in der Klapse durchaus am Platz ist. Bitte fahren Sie fort.«
»Die Anstalt geht mir auf den Geist«, sagte sie ruhig. »Ich glaube, dass mir nachts jemand ins Wohnheim der Lernschwestern folgt. Ich höre Geräusche an meiner Tür, die verschwinden, sobald ich aufstehe. Ich merke deutlich, dass sich jemand an meinen Sachen zu schaffen gemacht hat, auch wenn nichts fehlt. Ich habe nach wie vor das Gefühl, dass wir vorankommen, aber ich könnte nicht konkret sagen, inwiefern. Ich denke allmählich, dass ich jeden Moment selber anfange, Stimmen zu hören.«
Für einen Augenblick drehte sie sich zu Francis um, der nicht zuzuhören, sondern in seine eigenen Gedanken vertieft schien. Sie blickte den Flur hinunter und sah, wie Cleo energisch mit den Armen wedelte, während sie sich mit dröhnender Stimme über ein unglaublich wichtiges Thema verbreitete, auch wenn ihre Ausführungen nicht allzu schlüssig klangen. »Oder«, fuhr Lucy fort und schüttelte nochmals den Kopf, »ich bilde mir bald ein, ich sei die Reinkarnation einer ägyptischen Prinzessin.«
»Das könnte ernste Konflikte nach
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