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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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und er spürte, wie der Schließriegel sie an Ort und Stelle hielt. Er ließ den Knauf los und trat einen Schritt zurück, während ihn ein Schwall von Emotionen traf, die sich anders als Angst oder Panik anfühlten, eher wie Schock oder banges Staunen. Er hatte einfache Erwartungen gehabt, die auf logischen Verdachtsmomenten basierten und ihm eine Vorstellung davon vermittelt hatten, wie diese Nacht verlaufen würde, doch von einem Moment auf den anderen erkannte er, dass sich dies alles in Nichts auflöste und einem schrecklichen Rätsel wich. Zunächst war er unsicher, was er tun sollte. Also atmete er tief durch und rief sich ins Gedächtnis, dass er schon mehr als einmal in Situationen gewesen war, die Besonnenheit erforderten, wenn alle möglichen Gefahren ihm alle auf einmal durch den Kopf schwirrten oder an ihm zerrten. Gefechte als Soldat. Brände als Feuerwehrmann. Er biss sich fest auf die Lippe und schärfte sich ein, nicht die Nerven zu verlieren, sondern Ruhe zu bewahren. Dann presste er das Gesicht an das kleine Fenster in der Tür und reckte sich, um den Flur entlangsehen zu können. Bis jetzt war noch nichts passiert, sagte er sich, wodurch sich diese Nacht nicht von allen anderen unterschied.
    Hinter ihm hatte Francis die Beine aus dem Bett geschwungen. Er wurde von Kräften hochgerissen, die er nicht kannte. Er hörte, wie seine eigenen Stimmen riefen,
Es ist so weit!
, doch er konnte nicht sagen, was
es
war. Fast wie eine Statue stand er neben seinem Bett und wartete auf den nächsten Augenblick, in der Hoffnung, dass er binnen Sekunden begriff, worin seine Aufgabe bestand. Und dass er sie, wenn er dazu berufen war, auch bewältigen konnte. Er begann zu zweifeln. Sein ganzes kurzes Leben lang hatte er, so weit er sich erinnern konnte, noch nichts zustande gebracht.
     
    Lucy sah von ihrem Schreibtisch in der Pflegestation auf und erkannte durch den Maschendraht im Grauschwarz des Flurs genau an der Stelle, an der ihr Little Black vorhin zugewunken hatte, eine Gestalt.
     
    Es war eine menschliche Gestalt, die aus dem Nichts aufzutauchen schien. Sie reckte sich vor und beobachtete, wie ein Pfleger in weißer Jacke am Schlafsaal der Männer stehen blieb und dann weiter den Flur entlanggeschlendert kam, um sie zu begrüßen. Der Mann winkte ihr zu, und sie sah, dass er lächelte. Er hatte eine selbstsichere, gelöste Art – zumindest lief er nicht mit diesen zögerlichen, gehemmten Schritten, die sie bei der überwältigenden Mehrzahl der Patienten beobachtete, welche die Last ihrer Krankheit mit sich herumschleppten. Dieser Mann hatte einen beschwingten Gang, der ihn einer anderen Kategorie zuordnete. Dennoch griff sie nach unten und legte die Hand auf ihre Tasche, um sich zu vergewissern, dass ihre Pistole in Reichweite war.
    Der Pfleger kam näher. Er war nicht allzu groß, vermutlich nicht größer als sie selbst, aber mit seinem schlanken, athletischen Körperbau wohl um einiges schwerer. So wie er durch den Flur kam, schien er wie aus einer Wolke hervorzutreten und mit jedem Schritt eine deutlichere Gestalt anzunehmen. Er blieb stehen und überprüfte zunächst eine Abstellraumtür, um sicherzugehen, dass sie abgeschlossen war, dann eine zweite, die Tür, die in den Heizungskeller hinunterführte. Er rüttelte daran und zog dann einen Schlüsselsatz hervor, der sich von dem kaum unterschied, den sie selbst für diese Nacht erhalten hatte.
    Sie ließ die Hand sinken und legte die Finger um den Kolben ihrer Pistole. Sie wollte schon den Knopf der Gegensprechanlage drücken, zögerte jedoch, als der Pfleger sich umdrehte und nicht unfreundlich sagte: »Die Idioten von der Wartung lassen die Dinger ständig offen, egal, wie oft wir ihnen sagen, sie sollen sie wieder abschließen. Eigentlich ein Wunder, dass wir in den Tunneln da unten nicht schon längst ein Dutzend Patienten verloren haben.«
    Er grinste und zuckte die Schultern. Sie sagte kein Wort.
    »Mr. Moses hat mich gebeten, runterzukommen und nach Ihnen zu sehen«, erklärte der Pfleger. »Sagt, es wär Ihre erste Nacht und so. Hoffentlich hab ich Ihnen keinen Schrecken eingejagt.«
    »Nein, kein Problem«, sagte Lucy, die Hand nach wie vor um den Pistolenkolben gelegt. »Sagen Sie ihm danke von mir, aber ich bräuchte keine Hilfe.«
    Der Pfleger kam ein Stück näher. »Hatte ich mir gedacht. Nachtschicht hat eher damit zu tun, dass man sich ein bisschen einsam und ein bisschen gelangweilt fühlt, und vor allem damit, dass man wach

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