Die Anstalt
alles nich’ brauchen«, sagte Little Black. »Nach meiner Erfahrung läuft hier drinnen nix logisch nach Plan, egal, wie genau Sie es ausgetüftelt haben. Bin ziemlich sicher, dass der Kerl, den Sie jagen, weiß, dass Sie hier sind. Macht fix die Runde, wenn Sie dem Richtigen das richtige Wort ins Öhrchen flüstern. Aber wenn dieser Kerl tatsächlich so clever ist, wie Sie meinen, dann hab ich meine Zweifel, dass er Ihnen direkt in die Falle tappt, die er eigentlich erkennen müsste. Trotzdem, man weiß ja nie.«
»Stimmt«, sagte Lucy. »Man weiß nie.«
Little Black nickte. »Also dann, Sie melden sich. Und Sie melden sich auch, wenn irgendwas mit irgendeinem der Patienten ist, wo Sie nicht mit klar kommen. Ignorieren Sie einfach Hilferufe und so. Meistens warten wir bis zum Morgen und kümmern uns erst dann um irgendwelche Probleme in der Nacht.«
»In Ordnung.«
Er schüttelte den Kopf. »Nervös?«
»Nein«, antwortete Lucy. Sie wusste, dass sie
etwas
war, sie wusste nur nicht, ob
nervös
die Sache traf.
»Wenn es spät wird, schicke ich jemanden, der mal nach Ihnen schaut. Das geht doch in Ordnung, oder?«
»Bin immer für Gesellschaft dankbar. Nur dass ich den Engel nicht verschrecken will.«
»Kann mir nicht denken, dass er der Typ ist, den allzu viel verschrecken kann«, sagte Little Black. Er blickte den Flur entlang. »Ich hab dafür gesorgt, dass die Schlafsaaltüren abgeschlossen sind«, sagte er. »Bei den Männern und den Frauen. Besonders die da drüben, die Peter offen haben wollte. Natürlich wissen Sie, dass das da am Ende der Kette der Schlüssel ist, mit dem man sie aufschließen kann …« Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu. »Denke allerdings mal, dass es da drinnen nach der Devise geht, Licht aus, Augen zu und schnarchen, dass die Wände wackeln.«
Damit trat Little Black zurück und in den Flur. Er drehte sich noch einmal um und winkte, doch es war so dunkel am Ende des Korridors, in der Nähe des Treppenhauses auf dieser Seite, dass sie oberhalb der weißen Kluft des Pflegers kaum sein Gesicht erkennen konnte.
Lucy hörte, wie die Tür knarrend zufiel. Sie stellte ihre Handtasche vor sich auf den Tisch neben das Telefon. Sie wartete ein paar Sekunden – lange genug, bis die Stille sich feuchtkalt über sie senkte. Dann nahm sie den Schlüsselbund und ging zum Schlafsaal der Männer. So leise sie konnte, steckte sie den passenden Schlüssel ins Schloss und drehte einmal um, so dass sie ein leises Klicken hörte. Sie atmete tief durch und ging zur Pflegestation zurück, um darauf zu warten, dass etwas geschah.
Peter saß hellwach im Schneidersitz auf seinem Bett. Er hörte das Klicken, mit dem sich die Schließzylinder drehten, und wusste, dass Lucy die Tür aufgesperrt hatte. Er sah sie förmlich vor sich, wie sie zügig zur Pflegestation zurücklief. Lucy war so eindrucksvoll durch ihre Größe, ihre Narbe und die Art, wie sie sich bewegte, dass Peter sie mühelos vor Augen hatte. Er strengte sich an, ihre Schritte zu hören, doch vergeblich. Die Geräuschkulisse der schlafenden Männer, die sich in ihrem Bettzeug und ihrer Verzweiflung verhedderten, übertönte jedes leise Geräusch aus dem Flur. Zu viel Schnarchen, schweres Atmen und Reden im Schlaf, um einen einzelnen Laut herauszuhören. Er fürchtete, das könnte zu einem Problem werden, und so gab er seinen Posten auf und bahnte sich behutsam einen Weg an den Gestalten der schlafenden Männer vorbei bis zur Tür. Aus Angst, durch das Geräusch jemanden zu wecken, egal, wie sehr sie mit Medikamenten voll gepumpt waren, wagte er nicht, sie zu öffnen. Stattdessen setzte er sich einfach an der angrenzenden Wand auf den Boden und wartete auf ein ungewöhnliches Geräusch oder ein Wort, das ihm das Erscheinen des Engels signalisierte.
Er wünschte sich, er hätte eine Waffe gehabt. Eine Pistole, dachte er, wäre jetzt hilfreich gewesen. Selbst ein Baseballschläger oder ein Schlagstock oder dergleichen. Er rief sich ins Gedächtnis, dass der Engel ein Messer benutzte und er daher Abstand wahren musste, bis die Moses-Brüder erschienen, der Sicherheitsdienst gerufen und die Aktion erfolgreich verlaufen war.
Lucy hätte vermutlich nie ohne Hilfe in ihre Rolle eingewilligt. Sie hatte nicht gesagt, dass sie bewaffnet sei, doch er vermutete, dass sie es war.
Ihr Vorteil lag im Überraschungsmoment und in ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit. Das sollte reichen, dachte er.
Peter warf einen verstohlenen Blick zu Francis
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