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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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schwache Licht und sah, dass tatsächlich niemand in der Station war. Das verwirrte ihn, weil er sich immer eingebildet hatte, sie sei rund um die Uhr von mindestens einer Person besetzt. Fireman dagegen starrte auf den Boden vor der Tür zur Abstellkammer. Er zeigte auf einen großen Klecks auf dem Linoleum.
    »Was ist das?«, fragte Francis.
    Peter the Fireman seufzte. »Mehr Ärger, als du je erlebt hast«, sagte er. »Francis, was sich auch immer hinter dieser Tür verbirgt, nicht schreien! Vor allem nicht hysterisch kreischen! Beiß dir einfach auf die Zunge und sag nichts. Und fass auch nichts an. Kannst du das mir zuliebe tun, C-Bird?«
    Francis hauchte ein Ja heraus, was ihm Mühe bereitete. Er fühlte, wie ihm das Blut in der Brust pulsierte, in den Ohren dröhnte und ihn von oben bis unten mit Adrenalin voll pumpte. In dieser Sekunde merkte er, dass er kein einziges Wort von seinen Stimmen gehört hatte, die ganze Zeit schon, seit Lanky ihn wach gerüttelt hatte.
    Peter schlich zur Abstellkammertür. Er zog sein T-Shirt aus der Pyjamahose und bedeckte seine Hand mit dem losen Ende, als er nach der Türklinke griff. Dann machte er die Tür langsam auf.
    Der Raum klaffte stockdunkel vor ihren Augen. Peter trat vorsichtig vor und griff nach einem Lichtschalter an der Innenwand.
    Das unvermittelt grelle Licht war wie ein Schwertstreich für ihn.
    Für den Bruchteil einer Sekunde war Francis wie geblendet. Er hörte, wie Peter the Fireman mit erstickter Stimme eine einzige, grobe Obszönität ausstieß.
    Francis beugte sich vor und sah an Peter vorbei in die Abstellkammer. Und dann blieb ihm die Luft weg, denn der Schock und die Angst schlugen ihm wie ein Hurrikan ins Gesicht. Bei dem, was er vor Augen hatte, machte er unwillkürlich einen Satz zurück und hatte das Gefühl, als wäre jeder Atemzug heiß wie Dampf. Er versuchte, etwas zu sagen, aber selbst ein »Oh, mein Gott …« kam nur als ein tiefes, zusammenhangloses Stöhnen heraus. Auf dem Boden in der Mitte der Abstellkammer lag Short Blond.
    Oder die Person, die einmal Short Blond gewesen war.
    Sie war fast nackt, die Schwesternuniform war ihr offenbar mit Gewalt vom Leib gerissen und in eine Ecke geworfen worden. Ihre Wäsche hatte sie zwar noch an, doch heruntergezogen, so dass ihre Brüste und ihr Geschlecht entblößt waren. Sie lag zusammengekauert auf der Seite, fast in embryonaler Haltung eingerollt, nur dass ein Bein hochgezogen und das andere ausgestreckt war. Unter Kopf und Brust hatte sich ein See aus dunklem rotbraunem Blut gesammelt. Ihre teigig weiße Haut war von roten Rinnsalen bedeckt. Ein Arm war stark abgewinkelt unter ihren Körper geschoben, der andere so, als wolle sie jemandem in der Ferne zuwinken, über dem Kopf in einer Lache Blut ausgestreckt. Ihr Haar war verklebt, fast noch nass, und größere Hautpartien glitzerten eigentümlich, so dass sie das grelle Licht der Lampe reflektierten. Ein in der Nähe abgestellter Eimer mit Putzzeug war umgefallen, und ihnen stieg ein Gestank nach Reinigungs-und Desinfektionsmitteln in die Nase. Peter the Fireman beugte sich zu der Leiche hinab, um den Puls zu fühlen, zuckte aber zurück, als er und Francis sahen, dass Short Blond die Kehle aufgeschlitzt worden war – eine große, klaffende, rot-schwarze Wunde, aus der binnen Sekunden das Leben herausgesickert sein musste.
    Peter the Fireman trat in den Flur neben Francis zurück. Er holte tief Luft, atmete dann langsam aus und pfiff ganz leise, als sie durch die zusammengebissenen Zähne entwich.
    »Sieh genau hin, C-Bird«, sagte er vorsichtig. »Sieh dir alles ganz genau an. Versuch, dir alles zu merken, was du hier vor dir siehst. Kannst du das für mich tun? Das zweite Augenpaar sein, das hier alles aufnimmt und genauestens registriert?«
    Francis nickte langsam. Sein Blick folgte Peter, der nun wieder in die Abstellkammer ging und wortlos auf die Einzelheiten zeigte. Zuerst auf die Schnittwunde, die ihren Hals so grausam entstellte, dann auf den umgekippten Eimer und die aufgeschlitzten, weggeworfenen Kleider. Er wies auf eine Art Visier aus Blut auf Short Blonds Stirn, parallele Linien, die zu den Augen heruntergetropft waren. Francis konnte sich nicht vorstellen, wie sie dahingekommen waren. Peter verweilte einen Moment bei diesen Malen, bevor er sich langsam in dem engen Raum weiterbewegte und mit dem Zeigefinger auf jeden Quadranten, auf jedes Element der Szene wies, so dass er an einen Lehrer erinnerte, der ungeduldig mit dem

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