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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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ich kaum merkte, dass sie mich erfasste.
    Ich überlegte: Hatte ich je eine dunklere Nacht erlebt als diese eine im Western State Hospital? Oder eine derart wahnerfüllte Nacht?
    Ich ging zum Spülbecken, füllte ein Glas mit Wasser, trank einen großen Schluck und dachte: Ich hab den Gestank ausgelassen. Es war eine Mischung aus menschlichen Exkrementen und unverdünnten Reinigungsmitteln. Der Gestank von Urin gegen den von Desinfektionsmitteln. Wie Babys konnten viele alte und senile Patienten ihren Stuhlgang nicht kontrollieren, so dass es in der ganzen Klinik nach ihren Missgeschicken roch. Um das Problem zu bewältigen, gab es in jedem Flur wenigstens zwei Abstellräume mit Lappen, Mopps und Eimer nebst schärfsten chemischen Reinigungsmitteln. Manchmal kam es einem so vor, als würde ständig jemand irgendwo den Boden schrubben. Die Laugen waren äußerst konzentriert, so dass sie einem in den Augen brannten, wenn man den Blick zum Linoleumboden senkte, und man schwer Luft bekam, als ob einem etwas die Lunge zudrückte.
    Es war schwer vorherzusagen, wann diese Malheurs passieren würden. In einer normalen Welt konnte man vermutlich mehr oder weniger regelmäßig die Stress und Angst einflößenden Situationen identifizieren, die bei einem sehr alten Menschen den Kontrollverlust herbeiführen mochten, und etwas unternehmen, um diese Vorfälle zu reduzieren. Dazu bedurfte es einer gewissen Logik, eines gewissen Einfühlungsvermögens, einer gewissen Planung und Vorausschau. Keine große Sache. In der Klinik jedoch, wo all die Stresssituationen, die Knall auf Fall in den Fluren entstehen konnten, sich jeder Planung entzogen und aus so vielen Zufallsgedanken entstanden, war Vorhersehbarkeit und Prävention ein Ding der Unmöglichkeit.
    Und so hatten wir stattdessen Eimer und Kraftreiniger.
    Und wegen der Häufigkeit, mit der Schwestern und Aufseher sich genötigt sahen, zu diesen Dingen zu greifen, waren die Vorratsräume nur selten abgeschlossen. Natürlich hätten sie es sein sollen, doch wie so viele Dinge im Western State Hospital wurden die Vorschriften auf eine wahndiktierte Durchführbarkeit zurechtgestutzt.
    Was ist mir noch aus dieser Nacht in Erinnerung geblieben? Hat es geregnet? Herrschte Wind? Woran ich mich stattdessen erinnere, sind die Geräusche.
    Allein ins Amherst waren fast dreihundert Patienten gepfercht, wohingegen es ursprünglich für etwa ein Drittel davon ausgelegt war. In jeder beliebigen Nacht mochten ein paar Leute in eine der Isolierzellen auf dem vierten Stock verlegt worden sein, wie es Lanky angedroht worden war. Die Betten waren eng zusammengerückt, so dass vielleicht zehn Zentimeter Platz zwischen den schlafenden Patienten waren. An einer Front des Schlafsaals befanden sich ein paar verdreckte und vergitterte Fenster, die für ein wenig Belüftung sorgten, wenngleich die Männer, die darunterlagen, sie häufig fest geschlossen hielten, weil sie sich vor dem, was vielleicht auf der anderen Seite war, ängstigten.
    Die Nacht war eine Symphonie der Trostlosigkeit. Schnarchen, Husten, gurgelnde Geräusche mischten sich in die Albträume der Patienten. Die Leute redeten im Schlaf mit abwesenden Freunden und Angehörigen, mit Göttern, die ihre Gebete nicht erhörten, mit Dämonen, die sie quälten. Ständig weinte und schluchzte sich irgendjemand durch die dunkelsten Stunden. Jeder schlief, keiner kam zur Ruhe.
    Wir waren mit der ganzen Verlassenheit eingesperrt, die Menschen im Dunkeln beschleicht.
    Vielleicht hielt mich ja das Mondlicht, das diese Nacht durch die Gitter einströmte, in einem Zustand zwischen Wachen und Schlafen. Vielleicht war ich wegen des Vorfalls am Tag immer noch beunruhigt. Vielleicht lag es auch an meinen rastlosen Stimmen. Ich habe oft darüber nachgedacht, denn ich bin mir immer noch nicht sicher, was mich die gesamten dunklen Stunden hindurch in diesem eigentümlichen Zustand zwischen erhöhter Aufmerksamkeit und Bewusstlosigkeit hielt. Peter the Fireman stöhnte im Schlaf und warf sich auf der Pritsche neben mir anfallartig hin und her. Die Nacht war schwer für ihn; am Tag war er in der Lage, ein Maß an Vernunft aufrechtzuerhalten, das in der Klinik fehl am Platz schien. Doch bei Nacht nagte etwas unablässig an ihm. Und während ich zwischen diesen Stadien meiner Ruhelosigkeit wechselte, sah ich, daran erinnere ich mich genau, wie sich Lanky ein paar Betten weiter aufsetzte und durch den Raum nach draußen starrte. Ich weiß noch, wie ich dachte, dass

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