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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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zurück, und ihre schlurfenden Bewegungen und ihr Zucken im Gesicht war ein wenig auffälliger als zuvor. Das Verschwinden aus unserer Mitte war also an sich nichts Ungewöhnliches, die Art und Weise jedoch, wie Lanky weggeschafft worden war, schon, und daher rührten auch unsere aufgewühlten Emotionen, als wir auf die ersten Lichtstrahlen warteten, die durch die Gitterstangen unserer Fenster drangen.
    Ich machte mir zwei Schnitten mit überbackenem Käse, füllte ein nur leicht angeschmutztes Glas mit kaltem Leitungswasser und lehnte mich mit dem Rücken an die Arbeitsplatte, während ich aß. Nicht weit von der Stelle brannte eine vergessene Zigarette in einem überquellenden Aschenbecher, und ich betrachtete versunken die Rauchfahne, die in die verbrauchte Luft meiner Wohnung stieg.
    Peter the Fireman rauchte auch.
    Ich biss in mein Brot und spülte es mit einem Schluck Wasser hinunter. Als ich wieder ins Zimmer sah, stand er auf einmal da. Er griff nach meinem Zigarettenstummel und hob ihn an die Lippen. »Ach ja, in der Anstalt damals konnte man ohne Schuldgefühle rauchen«, sagte er mit dem Anflug eines verschmitzten Lächelns. »Ich meine, was war wohl schlimmer: Krebs zu riskieren oder verrückt zu sein?«
    »Peter«, sagte ich lächelnd. »Ich hab dich seit Jahren nicht gesehen.«
    »Hast du mich vermisst, C-Bird?«
    Zur Antwort nickte ich.
    Wie um sich zu entschuldigen, zuckte er die Schultern.
    »Du siehst gut aus, C-Bird. Ein bisschen dünn vielleicht, aber du bist kaum älter geworden.« Dann blies er zwei unbekümmerte Ringe in die Luft und sah sich langsam im Zimmer um. »Hier wohnst du also? Nicht schlecht. Läuft ganz gut, wie ich sehe.«
    »Gut laufen ist ein bisschen übertrieben. Im Rahmen meiner Möglichkeiten vielleicht.«
    »Stimmt. Das war das Besondere daran, verrückt zu sein, nicht wahr, C-Bird? Die Vorstellung, die wir uns von unseren Möglichkeiten machten, wurde völlig verdreht und manipuliert. Ganz normale Dinge – einen Job zu haben, eine Familie, an einem schönen Nachmittag zu einem Baseball-Spiel der Little League zu gehen –, das war praktisch nicht machbar. Also haben wir immer wieder das Skript geändert, stimmt’s? Wir haben es einfach umgeschrieben, gestrichen und wieder überarbeitet.«
    Ich grinste. »Ja, das stimmt. Schon ein eigenes Sofa zu haben ist eine Riesenerrungenschaft.«
    Peter warf den Kopf zurück und lachte. »Ein Sofa und der Weg zur geistigen Normalität. Klingt wie einer von den Aufsätzen, an denen Mr. Evil immer für seinen Doktortitel herumlaboriert hat und die nie veröffentlicht worden sind.«
    Peter sah sich weiter um. »Hast du Freunde?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht.«
    »Hörst du immer noch Stimmen?«
    »Manchmal ein bisschen. Es ist mehr wie ein Echo oder ein Flüstern. Die Medikamente, auf die ich gesetzt bin, würgen den Lärm, den sie früher gemacht haben, ziemlich ab.«
    »Können demnach nicht allzu schlecht sein«, sagte Peter mit einem Augenzwinkern, »sonst wär ich nicht hier.«
    Da hatte er Recht.
    Peter ging zur offenen Küchentür und betrachtete die beschriebene Wand. Er bewegte sich mit derselben athletischen Grazie wie früher, mit einer vollkommenen Körperbeherrschung, an die ich mich von den vielen Stunden, die wir zusammen durch die Stationsflure des Amherst geschlendert waren, genau erinnern konnte. Schlurfen oder Stolpern gab es bei Peter the Fireman nicht. Er sah noch genauso aus wie vor zwanzig Jahren, nur dass er die Red-Sox-Baseballmütze, die er seinerzeit oft trug, jetzt in die Gesäßtasche seiner Jeans gestopft hatte. Doch er hatte immer noch langes, volles Haar, und sein Lächeln war genauso, wie ich es in Erinnerung hatte – als ob ihm vor einer Weile jemand einen Witz erzählt hätte, über den er sich immer noch amüsierte. »Wie geht’s mit der Geschichte voran?«, fragte er.
    »Mir kommt nach und nach alles wieder hoch.«
    Er wollte etwas sagen, überlegte es sich jedoch anders und starrte auf die Wortspalten an der Wand. »Was hast du ihnen über mich erzählt?«, wollte er wissen.
    »Nicht genug«, sagte ich. »Aber wahrscheinlich haben sie längst rausgekriegt, dass du überhaupt nie verrückt gewesen bist. Keine Stimmen. Keine Wahnvorstellungen. Keine bizarren Überzeugungen oder absurden Gedankenkonstrukte. Jedenfalls nicht verrückt wie Lanky oder Napoleon oder Cleo oder irgendeiner von den anderen. Oder auch nur wie ich, was das betrifft.«
    Peter setzte ein süßsäuerliches

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