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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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nicht weggenommen.«
    »Die war unter deiner Matratze. Wieso hast du sie da hingetan?«
    »Hab ich doch gar nicht, hab ich doch gar nicht.«
    »Ist auch egal«, erwiderte der Detective schulterzuckend. »Wir haben mehr als genug in der Hand. Jemand soll ihm seine Rechte vorlesen. Wir sehen zu, dass wir aus der Klapsmühle rauskommen.«
    Die Polizisten schoben und schubsten Lanky den Flur entlang. Francis sah, wie die Panik gleich Blitzen Lanky der Länge nach durchzuckte. Er zappelte und wand sich, als stünde er unter Strom, als würde er gezwungen, über glühende Kohlen zu laufen. »Nein, bitte, ich hab nichts getan. Bitte! Mein Gott, das Böse, das Böse lauert überall, bitte schafft mich nicht fort, ich bin hier zu Hause, bitte!«
    Während Lankys Verzweiflung noch durch die Flure hallte, merkte Francis, wie ihm die Handschellen abgenommen wurden. Er sah auf, und Lanky erhaschte seinen Blick. »C-Bird, Peter, helft mir doch!«, rief er ihnen nach. Francis konnte sich nicht erinnern, in so wenigen Worten je so viel Qual gehört zu haben. »Sagt ihnen, dass es ein Engel war. Dass mitten in der Nacht ein Engel zu mir gekommen ist. Sagt es ihnen. Helft mir doch!«
    Und dann wurde Lanky mit einem Stoß aus der Eingangstür des Amherst geschubst und von den letzten Stunden der Nacht verschluckt.

7
    Vermutlich habe ich in der Nacht noch ein bisschen geschlafen, auch wenn ich mich nicht entsinnen kann, dass ich tatsächlich die Augen zugemacht habe.
    Ich entsinne mich nicht einmal, dass ich noch geatmet habe.
    Meine geschwollene Lippe tat weh, und selbst nachdem ich sie ein bischen abgespült hatte, schmeckte ich immer noch Blut, dort, wo der Polizist mich getroffen hatte. Von dem Schlag mit dem Knüppel des Sicherheitsmannes schmerzten mir die Beine, und von alldem, was ich gesehen hatte, drehte sich mir der Kopf. Es macht keinen Unterschied, wie viel Zeit seit jener Nacht vergangen ist, wie viele Tage, die sich zu Jahrzehnten summieren – ich fühle immer noch den Schmerz meiner Konfrontation mit der Polizei, die mich – wenn auch nur kurz – für den Mörder hielt. Als ich steif auf meiner Pritsche lag, fiel es mir schwer, Short Blond, die ich noch wenige Stunden davor lebendig gesehen hatte, mit der blutverschmierten Gestalt zu identifizieren, über der sie den Reißverschluss des Leichensacks zuzogen, um sie vermutlich wenig später auf dem kalten Stahltisch eines Pathologen loszuwerden, der mit dem Skalpell auf sie wartete. Bis heute kann ich beides nur schwer in Einklang bringen. Es war fast, als handelte es sich um zwei verschiedene Personen, als lägen Welten zwischen ihnen, als hätten beide nicht das Geringste miteinander zu tun.
    Ich erinnere mich ganz deutlich: Ich blieb reglos im Dunkeln liegen und fühlte den Druck jeder Sekunde, die verging, während ich keinen Moment vergaß, dass der ganze Schlafsaal unter Schock stehen musste. Die gewöhnlichen unruhigen Schlafgeräusche waren von einer rastlosen Nervosität und Anspannung verstärkt, die sich wie ein neuer Anstrich über die stickige Luft im Saal legte. Rings um mich warfen sich Leute unentwegt hin und her, woran auch die zusätzliche Ration Medikamente nichts änderte, die uns verabreicht wurde, bevor wir alle wieder durch die Tür geschoben wurden. Chemische Ruhe. Zumindest entsprach das der Vorstellung von Gulp-a-pill und Mr. Evil und dem übrigen Personal, doch gegen das Grauen, das jene Nacht in uns ausgelöst hatte, kamen nicht einmal Medikamente an. Und so warfen wir uns unruhig hin und her, stöhnten und grunzten, weinten und schluchzten, und unsere Nerven lagen blank. Alle fürchteten wir uns vor der restlichen Nacht und nicht minder vor dem, was der Morgen bringen würde.
    Und einer fehlte. Nachdem Lanky so unerwartet aus unserer kleinen Irrenhausgemeinschaft gerissen worden war, ließ er einen Schatten zurück. Seit meinem Eintreffen im Amherst waren zwei von den wirklich alten und gebrechlichen Patienten eines so genannten natürlichen Todes gestorben, der wohl präziser auf Vernachlässigung oder völlige Verwahrlosung zurückzuführen war. Gelegentlich, und das grenzte schon an ein Wunder, wurde jemand, der noch einen Funken Leben in sich hatte, sogar entlassen. Wesentlich häufiger verlegte das Sicherheitspersonal einen aufsässigen oder tobenden oder unkontrollierbaren Insassen unter lautem Geschrei in eine der Isolierzellen im vierten Stock. Doch üblicherweise kehrten sie nach ein paar Tagen mit erhöhter sedativer Dosis

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