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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Grinsen auf.
    »Guter Katholik, große irische Familie, in zweiter Generation in Dorchester ansässig. Ein Dad, der samstagabends zu viel trank, und eine Mutter, die an die Demokraten und die Kraft des Gebets glaubte. Beamte, Grundschullehrer, Polizisten und Soldaten. Regelmäßiger Besuch der Sonntagsmesse, anschließend Katechismusunterricht. Ein Häufchen Messdiener. Die Mädchen lernten Stepptanz und sangen im Chor. Die Jungs gingen ins Gymnasium und spielten Football. Als es dann an den Wehrdienst ging, meldeten wir uns sofort. Zurückstellung wegen Studiums kam nicht infrage. Genauso wenig, geistesgestört zu werden. Jedenfalls nicht richtig. Nicht auf diese eindeutig nachzuweisende Art und Weise, die Gulp-a-pill so gefiel, wo er das, was mit dir nicht stimmte, im Diagnostischen und Statistischen Handbuch aufschlagen und genau nachlesen konnte, was für ein Behandlungsplan dagegen angesagt war. Nein, in meiner Familie mussten wir einfach nur ein bisschen eigen sein. Oder exzentrisch. Vielleicht auch ein wenig seltsam, von der Rolle, aus dem Tritt, nicht ganz dicht.«
    »Du warst nicht mal besonders eigen, Peter«, sagte ich.
    Er lachte, ein kurzes prustendes Lachen. »Ein Feuerwehrmann, der vorsätzlich Brandstiftung begeht? In der Kirche, in der er getauft wurde? Wie würdest du das denn nennen? Doch zumindest ein bisschen seltsam, oder? Etwas mehr als nur eigen, meinst du nicht?«
    Ich antwortete nicht. Stattdessen sah ich ihm zu, wie er durch mein kleines Apartment wanderte. Selbst für den Fall, dass er nicht wirklich da war, tat es gut, Gesellschaft zu haben.
    »Weißt du, was mir manchmal zu schaffen gemacht hat, C-Bird?«
    »Was?«
    »Es gab in meinem Leben so viele Momente, die mich in den Wahnsinn hätten treiben können. Ich meine, eindeutig, uneingeschränkt schreckliche Momente, die alle zusammen für einen richtig handfesten Wahnsinn mit Schaum vor dem Mund ausgereicht hätten. Kindheitsmomente. Kriegsmomente. Todesmomente. Wutmomente. Und dann bringt mich ausgerechnet die eine einleuchtendste und klarste Sache von der Welt in die Anstalt.«
    Er schwieg und wandte sich wieder Richtung Wand. Dann fügte er leise hinzu: »Als ich gerade neun war, starb mein Bruder. Er war mir altersmäßig am nächsten, nur ein Jahr älter, irisch-katholische Zwillinge, wurde in der Familie darüber gewitzelt. Aber sein Haar war viel heller als meines, und seine Haut schien immer blass, als ob sie straffer gespannt wäre als meine. Und ich konnte rennen, springen, Sport treiben, den ganzen Tag draußen verbringen, doch er bekam kaum Luft. Asthma und Herzbeschwerden und dazu eine Niere, die’s kaum tat. Gott wollte, dass er auf diese Weise was Besonderes war, haben sie mir zumindest gesagt. Weshalb Gott sich so entschieden hatte, war mir zu hoch. Da waren wir also, neun und zehn, und wir wussten beide, dass er sterben würde, und für uns machte das keinen Unterschied, wir haben trotzdem gelacht und unsere Witze gerissen und all die kleinen Geheimnisse geteilt, die Brüder nun mal miteinander teilen. An dem Tag, als sie ihn das letzte Mal ins Krankenhaus brachten, hat er mir gesagt, ich müsste jetzt der Junge für sie beide sein. Ich wollte ihm unbedingt helfen. Ich hab zu meiner Mutter gesagt, dass Billy meine rechte Lunge und mein Herz bekommen sollte, und die Ärzte sollten mir dafür seines geben, und wir würden einfach für ’ne Weile die Rollen tauschen. Aber natürlich haben sie das nicht gemacht.«
    Ich hörte Peter zu, ohne ihn zu unterbrechen, denn während er sprach, ging er näher an die Wand, auf die ich unsere Geschichte schrieb, doch er las nicht die Worte, die ich dorthin gekritzelt hatte, sondern steuerte seine eigenen bei. Er nahm einen Zug an seiner Zigarette und sprach dann langsam weiter.
    »Hab ich dir mal, C-Bird, hab ich dir mal von dem Truppführer erzählt, den sie erschossen haben, damals in Vietnam?«
    »Ja, Peter, hast du.«
    »Die solltest du dazuschreiben. Das mit dem Truppführer und meinem Bruder, der jung gestorben ist. Ich glaube, das gehört beides zur selben Geschichte.«
    »Dann muss ich ihnen aber auch von deinem Neffen und dem Brand erzählen.«
    Er nickte. »Das war mir klar. Aber das ist noch nicht dran. Erzähl ihnen erst mal die Sache mit dem Truppführer. Weißt du, was mir von dem Tag damals am meisten im Gedächtnis haften geblieben ist? Dass es so verflucht heiß war. Nicht das, was du und ich oder sonst jemand, der in Neu-England groß geworden ist, unter heiß

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