Die Anstalt
versteht. Wir kannten heiß wie an einem sehr heißen Augusttag, wenn wir zum Schwimmen zum Hafen runtergegangen sind. Doch das war eine entsetzliche, krank machende Hitze, an der man sich irgendwie vergiften konnte. Wir schlängelten uns im Gänsemarsch durch den Busch, und die Sonne stand hoch über uns. Der Rucksack auf meinem Rücken kam mir so schwer vor, als hätte ich alles und jedes, was ich nur irgendwann einmal brauchen würde, da reingepackt. Die Bösen hatten ihren Heckenschützen eine simple Strategie beigebracht, musst du wissen. Schieß auf den Typen an der Spitze und bring ihn zu Fall. Verwunde ihn, wenn du kannst. Ziel auf die Beine, nicht den Kopf. Sobald der Schuss ertönt, suchen alle anderen Deckung – mit Ausnahme des Sanitäters, weißt du, das war ich. Also, bei der Ausbildung haben sie uns immer eingebläut, wir sollten nicht so blöd sein und unser eigenes Leben riskieren, aber wir sind trotzdem immer hingelaufen. Und dann versuchte der Heckenschütze, den Sanitäter zu erwischen, weil er derjenige war, dem alle anderen was schuldeten, also kamen sie an diesem Punkt alle aus der Deckung, um den Sanitäter zu holen. Ein bemerkenswert einfacher Plan. Wie man sich mit einem einzigen Schuss die Möglichkeit verschafft, so viele zu töten. Das also haben sie an dem Tag gemacht, sie haben auf den Truppführer geschossen, und zwei andere Jungs haben mich festgehalten. Meine Dienstzeit war fast um, ich hatte nur noch zwei Wochen. Also haben wir, statt ihm zu helfen, gehorcht, was passiert, während er verblutet. Und so lautete dann auch der Bericht, der dem Hauptquartier vorgelegt wurde – ein unvermeidlicher Zwischenfall. Nur, dass das nicht stimmte. Sie hielten mich zurück, und ich versuchte, mich loszureißen, ich schimpfte, ich flehte sie an, aber die ganze Zeit wusste ich, dass ich, wenn ich nur ehrlich gewollt hätte, mich hätte losreißen können. Dass ich zu ihm hätte laufen können, wenn ich mich nur ein bisschen mehr ins Zeug gelegt hätte. Und genau das hab ich nicht getan. Diesen zusätzlichen Funken Entschlossenheit habe ich nicht aufgebracht. Stattdessen gab es also dieses kleine Affentheater, während ein Mann starb. Es war eine von diesen Situationen, in denen das, was richtig ist, fatale Folgen hat. Ich bin nicht hingegangen, und keiner hat mir Vorwürfe gemacht, und der Truppführer starb. Ich kannte ihn nicht mal besonders gut. Er gehörte erst seit knapp einem Monat zum Trupp. Ich meine, es war nicht so, dass ich tatenlos zuhörte, wie mein Freund starb, C-Bird. Er war einfach nur jemand, der da war, und dann schrie er um Hilfe und schrie immer weiter, bis er nicht mehr schreien konnte, denn da war er schon tot.«
»Er hätte es vielleicht auch nicht überlebt, selbst wenn du zu ihm gegangen wärst.«
Peter nickte mit einem Lächeln. »Klar, sicher. Das hab ich mir auch gesagt.«
Er seufzte. »Mein ganzes Leben lang hab ich Albträume von Leuten gehabt, die um Hilfe rufen. Und ich bin nicht hingegangen.«
»Aber du bist zur Feuerwehr gegangen …«
»Der einfachste Weg, Buße zu tun, C-Bird. Alle lieben den Feuerwehrmann.«
Peter verschwand langsam von meiner Seite. Der Vormittag war bereits fortgeschritten, als wir endlich die Chance bekamen, uns auszusprechen. Die Sonne strahlte in den Amherst-Bau und versetzte den immer noch starken Geruch nach einem gewaltsamen Tod in Bewegung. Die weißen Wände schienen vor Intensität zu glühen. Die Patienten drehten ihre schlurfenden, schleppenden Runden, doch ein wenig behutsamer an diesem Tag. Wir bewegten uns mit Bedacht, denn selbst in unserem gestörten Zustand wussten wir, dass etwas geschehen war und dass es nicht dabei bleiben würde. Ich sah mich um und fand meinen Bleistift.
Der Vormittag war bereits fortgeschritten, als Francis Gelegenheit hatte, mit Peter the Fireman zu reden. Durch die Fenster mit den Eisenstangen schien trügerisch strahlend die Frühlingssonne herein und brach sich grell in den Fluren, schimmerte gleißend auf den Böden, die von allen sichtbaren Zeichen des Mordes gereinigt waren. Doch immer noch hing ein Rest von Tod in der abgestandenen Luft der Klinik; Patienten liefen allein oder in Gruppen und vermieden dabei die Bereiche, an denen der Mord seine Spuren hinterlassen hatte. Niemand trat auf die Stellen, wo das Blut der Schwester Lachen gebildet hatte. Jeder machte einen großen Bogen um die Abstellkammer, als könnte durch die schiere Nähe zum Tatort etwas von dem Bösen auf einen
Weitere Kostenlose Bücher