Die Antwort ist Ja
war. “Dass auch du verletzt warst, als er euch verließ.”
April zuckte mit den Achseln. “Ich habe nicht weiter darüber nachgedacht.”
“Das geht aber wohl nur dir so. Ich war ziemlich am Ende, als meine Eltern gestorben sind.”
“Vielleicht, weil der Tod so endgültig ist.”
“Ich war vor allem wütend, weil es mir vorkam, als hätten sie mich jämmerlich im Stich gelassen.”
April sah ihn lange von der Seite an. “Es war wohl nicht ihre Schuld, oder?”
Das hatte er sich schließlich auch gesagt. Aber dafür hatte er viele Jahre gebraucht, und Kevin hatte seinen Kummer ausbaden müssen. “Das hat mir allerdings wenig geholfen. Ich glaube, als Kind denkt man, dass Eltern einfach alles unter Kontrolle haben und es auch hätten schaffen können zu bleiben. Mein Bruder hat lange darunter leiden müssen. Ich glaube, letztendlich habe ich es ihm zu verdanken, dass ich mich wieder gefangen habe. Er hat mich einfach nicht aufgegeben.”
April dachte, sie hätte auch einen Kevin gebrauchen können. Gran war zwar immer da gewesen, aber sie hatte die alte Frau auch schonen wollen. “Kevin ist der Älteste von euch?”
Jimmy nickte. “Stimmt. Du warst auch die Älteste, nicht wahr?”
“Jawohl. Angeklagt und für schuldig befunden.”
Dass sie von Schuld sprach, machte ihn neugierig. “Fühlst du dich schuldig?”
Wie zum Teufel kam er jetzt darauf? Natürlich fühlte sie sich nicht schuldig.
Warum auch? “Das ist nur so eine Redensart.”
“Ich weiß. Aber davon gibt es viele, und du hast dich für diese entschieden.” Er konnte spüren, wie sie sich in ihr Schneckenhaus zurückzog. “Außerdem hast du ja dann später deine Geschwister verlassen.”
Diese Anspielung nahm sie ihm übel. “Bei meiner Großmutter habe ich sie doch nicht im Stich gelassen.” Wie Dad, dachte sie. “Und davongestohlen habe ich mich auch nicht.” Wie Mom, beendete sie schweigend den Satz.
Jimmy versuchte der Unterhaltung die Schärfe zu nehmen. “Wusstest du, dass deine Augen einen interessanten Blauton bekommen, wenn du wütend bist?”
“Ich bin nicht wütend.”
“Dann bist du besonders umwerfend.“
April fuhr eine kurvenreiche Straße bergauf, die landschaftlich schönste Strecke, die sie hier kannte. Da oben hatten ihre Eltern zu verliebten Zeiten ihre Initialen in einen Baum geschnitzt. Das war, bevor die Ernüchterung kam. Ganz in der Nähe hielt sie und zog die Handbremse an. Man hatte einen fantastischen Blick über den kristallblauen Fluss hinweg auf die majestätischen Berge direkt dahinter.
Jimmy sprang begeistert aus dem Auto. “Das ist ja atemberaubend schön hier.”
April fand, dass er maßlos übertrieb. Dabei War das als kleines Mädchen ihr Lieblingsplatz gewesen. “Das sind die Aussichten, aus denen Kalenderbilder gemacht werden”, bemerkte sie trocken.
„Ja, Bilder, in die man am liebsten hineingehen möchte.”
April nahm den Korb aus dem Auto. “So etwas gibt es bestimmt auch bei dir zu Hause.”
Jimmy nahm ihr den Korb ab. “Nicht so schön. Die Einsamkeit ist überwältigend.”
“Das hört sich an, als wenn du Einsamkeit magst.”
Jimmy folgte ihr zum Flussufer. “Manchmal, wenn ich sechsunddreißig Stunden in der Notaufnahme gearbeitet habe, in denen ein Fall den nächsten jagte, könnte ich solche Einsamkeit gut gebrauchen. Dann gehe ich zwar aufs Dach, um allein zu sein, aber der ferne Verkehrslärm erinnert mich immer daran, dass es keinen Frieden gibt.”
“Mir kann es gar nicht laut genug sein.”
“So wie im Saloon gestern Abend?”
„Ja, aber so ist es nicht immer. Gestern waren ja auch alle Einwohner von ganz Hades da. Sonst gibt es hier nur Einsamkeit.”
Dabei gab es in ihrem Leben mal eine Zeit, wo ihr das nichts ausgemacht hatte.
“Als ich klein war, wohnten wir in der Nähe der Minen. Da gab es keine Menschenseele, nur Eis und Stille außer, wenn meine Eltern sich stritten. Und das taten sie oft. Ich fand es schrecklich. Und es gab kein anderes Geräusch, das ihre lauten Stimmen hätte übertönen können.”
April merkte, dass sie schon wieder zu viel erzählte, und versuchte, ein gleichgültiges Gesicht zu machen. “Hades hat einfach nichts zu bieten.”
“Alison sagte mir, dass hier sieben Männer auf eine Frau kommen.”
April brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass er sie völlig missverstanden hatte. “Warum sollte eine Frau einen Mann wollen, der mit einem Leben in Hades zufrieden ist?”
Jimmy nahm das Tischtuch
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