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Die Apothekerin

Die Apothekerin

Titel: Die Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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hindurch im Grünen sitzen und beim Essen in den Garten schauen, man konnte auch in einer Hängematte schaukeln und lesen, man konnte träumen und den Mief im Haus vergessen, denn hier roch es immer ein wenig nach feuchtem Grün. Ich freute mich täglich darauf heimzukommen, meine Pflanzen zu gießen, Tamerlan in der Hängematte einen kleinen Schubs zu geben und dann hier, und nicht in meiner geschändeten Küche, zu essen.
    »Wo nun endlich alles fertig ist«, schlug ich eines Tages gut gelaunt vor, »sollten wir eine kleine Einweihungs-Party veranstalten. Dorit und Gero waren noch gar nicht hier, auch meine Chefin ist neugierig…«
Levin war einverstanden. Mein einziges Problem war
    Margot. Hier zu Hause lief sie ja meistens ungepflegt herum (in einem Minirock im Tigermuster und grünen Plüschpantoffeln), aber bei einer Fete war mit Sicherheit die Metarmorphose zur Partyschnepfe zu erwarten, und das war mir gräßlicher als der Kohlgeruch im Haus.
    Aber konnte man sie ausschließen? Eine hilfreiche Hand war beim Gläserspülen und Aufräumen nicht zu verachten - das war allerdings Levins Argument. Ich selbst hätte liebend gern allein aufgeräumt.
    Überhaupt mußte ich vorsichtig sein, meine Abneigung gegen Margot allzu deutlich zu formulieren, denn Levin hatte keinerlei Verständnis dafür. Er hielt die Wurst im Kühlschrank nicht für schimmelig, er fand den Backofen sauber genug, er meinte, ich solle mich freuen, eine Hilfe hier im Haus zu haben, wo ich doch durch den Beruf ziemlich angespannt sei.
    Es wurde Herbst und früh dunkel. Zwei Wochen vor der großen Party hatte ich Nachtdienst. Während ich eingenickt war, wurde eine Fensterscheibe im Hinterzimmer der Apotheke eingeschlagen, ein Junkie wollte sich Stoff beschaffen. Schlaftrunken kam ich ihm in die Quere, die Alarmanlage ging los, der Verrückte schlug auf mich ein, und ich ging zu Boden. Die Polizei war sehr schnell an Ort und Stelle, schnappte sich den Täter zwei Straßen weiter und versuchte, den Schaden aufzunehmen.
    Meine Chefin wurde angerufen, brauste auch herbei und schickte mich schließlich heim. Außer einer Platzwunde am Kopf, die sie eigenhändig versorgte, hatte ich nur einen leichten Schock erlitten. Die Polizisten boten an, mich nach Hause zu bringen; als sie allerdings hörten, daß ich in Viernheim wohnte, waren sie erleichtert, daß ich nicht auf dieses Angebot einging.
    Ich fuhr abends meinen Wagen immer in die Garage. In dieser Nacht hatte ich keine Kraft mehr dazu. Über den dunklen Kiesweg schlich ich auf die Haustür zu. Alle schienen zu schlafen, es war schließlich drei Uhr morgens. Plötzlich sah ich einen Lichtschein auf dem hinteren Rasen, der vom Wintergarten ausging. Ich steckte in einem jähen Gefühl der Angst meinen Hausschlüssel wieder weg und tastete mich vorsichtig zur Rückseite des Hauses vor. Waren hier ebenfalls Einbrecher am Werk?
    Im Wintergarten waren weder Räuber noch aufgebrochene Türen zu sehen. Mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht lag Levin in der Hängematte. Zu meinem Befremden war er nackt, der Kater lag als Feigenblatt auf seinem Unterleib. Wohin starrte er so gebannt?
    Ich mußte mich in eine andere Ecke des Gartens begeben, um dorthin schauen zu können, wo seine Blicke klebten. Margot trug nur schwarze Strapse und rote Stiefel, die violette Unterhose hatte sie sich kokett auf den Kopf gesetzt. Eine Peep-Show lief in meinem Wintergarten, während man mich bei der Arbeit wähnte. Wo war Dieter?
    Viel zu lange sah ich zu. Auf einmal wurde mir klar, worin Margots Begabung lag. Sie bot sich Levin auf eine Weise dar, die ich für pervers und abscheulich hielt, und tat Dinge, für die ich mich nie im Leben hergeben würde. Ich schlich erst weg, als Levin ihr einen kleinen Umschlag übergab und erschöpft in meine Hängematte fiel, weil die unästhetische Paarung beendet war.
    Durch den Garten ging ich wieder zur Haustür, schloß auf und schlich mich ins Schlafzimmer. Mechanisch zog ich mich aus, putzte mir die Zähne, cremte mir das Gesicht ein und legte mich hin. Meine Zähne schlugen aufeinander, so sehr fror ich. Das Bett neben mir blieb leer.
    Schlafen konnte ich nicht, auch nicht weinen. Meine grausame Wut und Trauer wollte ich nicht durch Schäfchenzählen vertreiben. Immer wieder stellte ich mir die Szene vor. Eigentlich hatte ich nie unter sexuellen Minderwertigkeitsgefühlen gelitten, ich hatte immer Freude an der körperlichen Liebe empfunden und meine Partner meistens ebenso. Bei

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