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Die Apothekerin

Die Apothekerin

Titel: Die Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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ein Ende weiter, jetzt aber mußte ich eine halbe Stunde mit dem Auto fahren. Doch ich wollte meinen Beruf und meine Selbständigkeit vorerst nicht aufgeben. Also brach ich morgens als erste auf.
Levin hätte als nächster aus dem Haus gemußt, um sich in die Uni zu begeben - aber ich hatte das Gefühl, daß er sein Studium nicht mehr mit Ernst verfolgte und lieber ausschlief. Wenn ich schon einige Stunden Arbeit hinter mir hatte, wurde in meiner Villa wohl erst gefrühstückt. Es war ein ständiger unangenehmer Gedanke, mir ihre gemeinsamen Mahlzeiten vorzustellen.
Man mußte Dieter zugute halten, daß er nicht untätig blieb; gleich nach seiner Haftentlassung hatte er sich um Arbeit beworben, aber in seinem gelernten Beruf als Versicherungskaufmann keine Anstellung gefunden. In einer Spedition, wo er ebenfalls anfragte, bot man ihm an, aushilfsweise als Fahrer einzuspringen. Obgleich das Fahren eines Lastkraftwagens - das er bei der Bundeswehr gelernt hatte - nicht seinem Ausbildungsniveau entsprach, hatte er angenommen.
Seitdem war Dieter häufig auf Tour; es war kein Job auf Dauer und mit festgelegtem Rhythmus, aber ich rechnete es ihm hoch an, daß er sich nicht zu schade dafür war. An freien Tagen arbeitete er im Garten, tapezierte und strich die beiden Zimmer, die er mit Margot bewohnte, und erledigte auch sonst nützliche Hausarbeit. Levin hatte ihm Hermann Grabers Mercedes überlassen.
Wenn Dieter und Margot zusammen waren, ließ ich das Paar nicht aus den Augen. Wie standen sie zueinander? Es war nicht genau zu sagen; eine gewisse Kameradschaft oder Schicksalsgemeinschaft bestand, aber - soweit ich das erahnen konnte - keine sexuelle Spannung oder Zärtlichkeit. Schliefen sie miteinander? Da beide jung waren und in Hermann Grabers Doppelbett lagen, mußte man wohl davon ausgehen.
Levin und ich lebten im Erdgeschoß in vier Zimmern. In Levins »Studierstübchen« lief ständig ein zweiter Fernseher. Ich plante, später das Schlafzimmer und natürlich die Kinderzimmer nach oben zu legen. Im Souterrain lag Margots ehemaliges Zimmer, und unter dem Dach gab es zwei Mansarden, die früher fürs Personal gedacht waren. Dort stapelten sich jene Möbel vom alten Graber, die wir oder das andere Paar nicht brauchen konnten. Levin hatte natürlich recht, mein Haus war für zwei Personen viel zu groß.
Es fiel mir deshalb, als stets sozial denkendem Menschen, nicht leicht, Dieter und Margot eine Kündigung auszusprechen.
Und sie verstanden mich auch nicht. »Stören wir euch?« fragte Dieter bestürzt.
Gern hätte ich gesagt, daß er mich gar nicht störte, wohl aber seine liederliche Frau. Ich war verlegen - was sollte ich für Argumente vorbringen? Levin hatte ihnen, obgleich er es so dargestellt hatte, anscheinend noch nie mitgeteilt, daß sie sich eine andere Behausung suchen sollten.
Sie arbeite doch unentwegt, behauptete Margot beleidigt und demütig zugleich. Margot machte auch wirklich einiges, aber alles, was sie tat, war mir eklig. Sie putzte die vielen Holztreppen mit schmutzigem Wasser und hatte noch nie etwas von Bohnerwachs gehört. Alles stank in den oberen Zimmern, und ich roch diesen Muff bis in jeden Winkel. Margot schien im Schlafzimmer nie ein Fenster zu öffnen, in der Küche sowieso nicht. Den Wischlappen, den sie benutzte, konnte ich nicht anrühren, ich besaß einen eigenen, den ich versteckte. Aber sie hatte ihn schnell aufgespürt und mir vergraust, so daß ich fast täglich mit einem neu gekauften Lappensortiment nach Hause kam. Ein Dorn im Auge war mir außerdem, daß sie Levin neckisch mit »Schweinchen Schlau« ansprach.
Ich haßte sie auf eine sehr körperliche Art, ich mochte nie probieren, was sie gekocht hatte. Abends stand ich am Herd, der nicht mehr sauber wurde, und brutzelte für Levin und mich ein feines Essen, aber immer häufiger ekelte ich mich vor dem Kühlschrank, in dem billige Margarine, stinkiger Kochkäse - ohne schützende Papierhülle - und schimmelige Wurst von Margot lagerten. Levin fragte eines Tages: »Bist du schwanger? Du bist mit dem Essen so heikel geworden!«
Leider wurde ich nicht so schnell schwanger, aber ich wußte, daß man keinesfalls wie eine Besessene darauf lauern durfte. Besagte Levins Frage, daß auch er darauf wartete? Ich deutete es in diesem Sinne.
    Als der Wintergarten fertig wurde, kam wieder neue Lebensfreude in mir auf. Ich kaufte Pflanzen nach Herzenslust, ein ganzer Lieferwagen fuhr prall gefüllt bei uns vor. Man konnte nun das ganze Jahr

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