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Die Apothekerin

Die Apothekerin

Titel: Die Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Ausdruck echter Verwunderung kam Dieter zurück. »Der verrückte Kerl pennt im Wintergarten«, sagte er und verließ mich unter der Ermahnung, wieder ins Bett zu kriechen.
    Bis zur Mittagszeit rührte sich nichts im Haus, dann hörte ich das Klo rauschen. Plötzlich stand Levin vor unserem Bett und betrachtete mich mit Befremden. Wieder erzählte ich vom Fixer und zeigte meine Verletzung.
    »Wann bist du heimgekommen?« war alles, was ihn interessierte.
»Ich weiß es nicht.«
In Levins Gesicht konnte man Beunruhigung lesen, er forschte in meiner Leidensmiene nach Vorwürfen. »Ich muß im Wintergarten eingeschlafen sein«, sagte er, »hast du mich nicht gesucht?«
»Ich habe eine starke Schmerztablette genommen und bin sofort ins Bett gefallen.«
Mein Verband beruhigte Levin etwas, aber es schien ihn doch zu beschäftigen, daß ich ihn nach einem solchen Schock nicht benachrichtigt hatte. »Warum hast du nicht von Heidelberg aus angerufen«, sagte er, »ich hätte dich abgeholt.«
»Ach, Gott«, sagte ich, »das hätte doppelt so lange gedauert. Außerdem wollte ich das Auto nicht dort lassen. Aber nun laß mich noch ein bißchen schlafen.«
Levin verließ mich, und ich grübelte weiter. Mußte ich ihn zur Rede stellen? Rache? Scheidung? Ich konnte keinen klaren Entschluß fassen. War es unbedingt nötig, durch vorschnelles Handeln etwas zu zerstören, das nicht wieder zu kitten war?
    Als ich am Nachmittag mit leerem Magen aufstand, beeilte sich Levin, mir einen Toast zu servieren. Wenigstens hat er ein schlechtes Gewissen, dachte ich. Aber so schlecht war es offenbar doch nicht: Als er nämlich hörte, daß es mir besser ging, raste er mit dem Porsche davon.
    Ich saß immer noch im Bademantel in der Küche, als Margot eintrat. Wahrscheinlich handelte sie im Auftrag, denn sie fragte sofort, ob sie etwas für mich tun könne.
    »Allerdings«, sagte ich.
    Von da an begann ich, Margot zu schikanieren. Bisher hatte ich es vermieden, direkte Befehle zu erteilen. Gelegentlich murmelte ich, die Bestecke müßten geputzt werden oder ähnliches, ohne dabei Margot direkt anzusehen. Manchmal hatte sie solche Anregungen auch zur Kenntnis genommen. Jetzt sagte ich klipp und klar, daß der Kühlschrank mit Essigwasser ausgewaschen werden mußte, daß der Backofen eine grundlegende Reinigung brauchte, daß die Badewanne und das Klo zwar neu, aber schon verkalkt seien, daß die Straße gekehrt und die Blätter auf der Einfahrt zum Komposthaufen gebracht werden müßten.
    »Für nichts und wieder nichts bezahlen wir dich nicht«, sagte ich.
Margot wurde feuerrot. Sie habe immer geputzt und aufgeräumt, behauptete sie.
»Aber wie!« entgegnete ich, und man dürfe nicht vergessen, daß sie mietfrei wohne.
Levin sei zufrieden gewesen, verteidigte sie sich.
Was verstand schon ein Mann von diesen Dingen, fauchte ich zurück, außerdem sei es mein Haus, nicht seins.
Margot sah mich groß an. »Hella, des Haus is vom Lävin sein Opa«, belehrte sie mich.
Wortlos kramte ich das Testament aus der Schreibtischschublade und legte es ihr vor die Nase.
Sie las es tatsächlich und schüttelte den Kopf. »Des is net rischtisch«, sagte sie.
    Als ich an einem der nächsten Tage morgens zur Garage ging, gab ich dem großen Weidenkorb einen ordentlichen
    Tritt, so daß er umkippte und die welken Magnolienblätter gleich wieder durch die Luft wirbelten. Mit Wohlgefallen sah ich ihnen nach: Blumen für Margot. In diesem Moment entdeckte ich Dieter, der hinter mir hergekommen sein mußte. Belustigt sagte er: »So wird man Aggressionen los! Ich werde nachher alles wieder zusammenkehren.«
    Etwas verlegen versicherte ich, das sei meine Sache. Aber ich sah im Rückspiegel, daß er nicht in den Mercedes stieg, sondern sich Harke und Besen holte.
    Normalerweise sah ich Dieter eher selten. Wenn es zufällig geschah, lächelten wir uns an. Ich ertappte mich dabei, daß ich diese Zufälle ein wenig provozierte. Ob auch er mich mochte? Einmal hatte er mir ein Buch in den Wintergarten gelegt, ein Zettel »für Hella« lag daneben. War es ein Geschenk oder eine Leihgabe? Es war ein Science-fiction-Roman, der von chemischen Utopien handelte. Das rührte mich, denn im Gegensatz zu dieser Gabe dienten Levins Geschenke nur seinem eigenen Vergnügen.
    Nach meiner nächtlichen Entdeckung mochte ich nicht mehr mit Levin schlafen. Es fiel ihm aber nicht weiter auf, so schien mir, denn die Initiative war bisher stets von mir ausgegangen, und ich kam daher nicht in die

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