Die Apothekerin
entdeckt hatte. Irgendwie war ich verrückt geworden, gespalten in zwei Personen: die blonde Braut, die von allen beneidet den
schönsten Tag ihres Lebens feiert, und der struppige Jagdterrier, der ohne weiteres eine Katze reißt, von abgängigem Großwild ganz zu schweigen.
An meinem Hochzeitsabend wurde ich nur von Dorit geküßt. Als ich schließlich mit Levin im Bett lag, schliefen wir, beide erschöpft und übermüdet, sofort ein. Er hatte viel getrunken, ich hatte Blasen an den Füßen.
»Neue Schuhe muß man erst einmal einlaufen«, bemerkte Frau Hirte.
Meine Eltern wollten am nächsten Tag unser zukünftiges Heim besichtigen und dann wieder abfahren. Margot wußte zwar, daß wir um zwölf Uhr zu erwarten waren, aber das hinderte sie nicht daran, noch im Bett zu liegen. Sie hatte in der Zwischenzeit nie gelüftet, sich aber im ganzen Haus breitgemacht; man konnte nicht mehr sagen, daß sie nur eine Etage besetzt hielt. Die Handwerker hatten noch nicht mit den Renovierungsarbeiten begonnen, aber bereits ein Gerüst um das Haus gezogen, Dachziegel angeliefert, neue Badewannen und Kacheln abgestellt. Das Haus machte keinen guten Eindruck; als schließlich Margot im verschossenen rosa Morgenmantel auftauchte und nun doch wieder wie ein abgewetzter Teddy aussah, war ich einerseits beruhigt - denn so konnte sie Levin kaum gefallen -, andererseits fühlte ich mich vor meiner Familie blamiert.
Aber meine Eltern hatten weniger Augen für Margot als für die großbürgerliche Bauweise der Villa; sie waren vor allem über den Garten mit den hohen Tannen entzückt, die ich in ihrer kitschig-deutschen Düsterkeit am wenigsten mochte. Ich hatte bereits erwogen, sie fällen zu lassen und durch Kirsch- und Apfelbäume zu ersetzen. Auch das Pampagras im Vorgarten war mir im Wege - und das wiederum gefiel Levin, weil er als Kind mit den hohen Spießen Unfug getrieben hatte.
Als meine Eltern und auch Bob mit seiner Familie endlich abfuhren, kam ich gleich auf Hermann Grabers Tod zu sprechen. Levin stellte sich dumm.
»Der olle Doktor will sich interessant machen«, sagte er, »ich habe den toten Opa schließlich selbst gesehen; ein vollkommenes Bild des Friedens, ehrlich. Glaubst du dem Schwätzer eher als mir?«
Fast hätte ich »ja« gesagt. Aber sollte unsere Ehe gleich mit Streit beginnen? Und dann gab es noch die Sache mit Margot, aber auf keinen Fall wollte ich mir unbegründete Eifersucht nachsagen lassen.
Meine Stimmung war nicht gut, ich bedauerte es, eine Woche Urlaub genommen zu haben. Ich wäre gern ein paar Tage nach Venedig gefahren, aber Levin war die Vorstellung grauenhaft, unter Scharen von Amis und Japanern Sehenswürdigkeiten abzugrasen. Er wollte nach Hongkong. Wir einigten uns darauf, beim nächsten Urlaub drei Wochen nach Ostasien zu fliegen und im Augenblick gar nicht zu verreisen.
Fast war ich froh, als ich wieder arbeiten mußte. Levin war zwar nett und schenkte mir teuer wirkende Dinge, die ich mir nicht wünschte, aber im Grunde wußte ich, daß es Bestechungsversuche waren. Meiner schönen Augen wegen hatte er mich nicht geheiratet.
»Und Sie?« Hier schaltete sich Frau Hirte wieder ein, sie hatte diesmal keine Sekunde geschlafen.
» Wieso ich ?«
»Ich meine, daß Sie ihn auch nur genommen haben, um endlich ein Kind zu kriegen.«
»Und wenn schon«, sagte ich mürrisch.
Nun kam sie mir auch noch mit einem Bibelzitat: »Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn ihrer…«
»Gute Nacht!« sagte ich.
8
Wahrscheinlich kramt Frau Hirte ebenso in meiner Nachttischschublade wie ich in ihrer; es wäre mir allerdings nicht recht, wenn sie Levins Postkarte und Pawels Brief fände. Neulich habe ich einen Fang gemacht: In einem ihrer vielen Krimis lag ein Foto. In einen sportlichen Parka gekleidet fährt sie einen Mann im Rollstuhl spazieren; anscheinend tobt sie sich über die karitative Schiene aus. Der Gelähmte mag einmal ganz gut ausgesehen haben, das Modell eines in die Jahre gekommenen Achtundsechzigers, aber es ist nur ein sparsamer Rest der Persönlichkeit zu erkennen.
Neuerdings zeigt sie etwas mehr Interesse an mir, was aber nicht darin mündet, daß sie mir etwas von sich erzählt; da gibt es wohl wenig zu berichten. Jedenfalls ist es geradezu lächerlich langweilig, wenn sie sich mit ihrer Frau Römer über Hunde, Ärzte und frühere Kollegen unterhält. Vielleicht treibt sie mich deswegen unermüdlich zum Erzählen an.
Levin sagte es nicht direkt, aber er
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