Die Apothekerin
Verlegenheit, ihn abweisen zu müssen. Irgendwann, so dachte ich, müßte es ihm dämmern, daß die Pause länger als üblich war. Aber anscheinend mußte er nichts entbehren.
Ob Dieter Bescheid wußte? Ob er am Ende Margots Zuhälter war? Ich mochte nicht schlecht von ihm denken. Gut, er war einmal gestrauchelt, aber er war kein wertloser Mensch. Im Gegenteil, er hatte etwas Ritterliches und Zurückhaltendes, das mir sehr gefiel.
Unsere Party-Einladungen waren bereits vor diesen alles durcheinanderbringenden Ereignissen verschickt worden, ich konnte die ganze Sache nicht mehr abblasen. Am Freitag vor unserem Fest hatte ich mir freigenommen und fuhr als erstes in die feinsten Lebensmittelgeschäfte. Bald duftete mein Auto aufs köstlichste nach Basilikum.
Dann verschwand ich für den Rest des Tages in der Küche. Levin war in die Pfalz gefahren, um Wein einzukaufen - besser gesagt, ich hatte ihn losgeschickt. Margot hielt ich mit niederen Diensten auf Trab.
Plötzlich schellte es Sturm, Dorit kam in ihrer zupackenden Art hereingeplatzt. In unserer Studienzeit waren wir ein äußerlich gegensätzliches, doch unzertrennliches Paar: Ich bin klein, blond und drahtig, sie ist lang und schlank und hat eine gepflegte schwarze Mähne.
Es tat mir gut, mit Dorit beim Gemüseputzen m der warmen Küche zu hocken und zu schwatzen. »Du siehst nicht gerade wie eine glückliche Neuvermählte aus«, sagte sie sofort.
Ich schob alles auf Margot. »Ich kann mit diesem Weib nicht unter einem Dach leben«, sagte ich. »Was hältst du von ihr, du hast sie doch bei der Hochzeit kennengelernt?«
»Ich fand sie scheußlich, ordinär und gemein, mannstoll und dumm«, sagte Dorit, »aber ihr Mann war mir nicht unsympathisch.«
Das war Wasser auf meine Mühlen. »Verstehst du, daß ein solcher Mann mit so einer Gans verheiratet ist?« fragte ich Dorit.
Sie lachte mit lauter, angekratzter Altstimme: »Aber Hella, das sieht man täglich. Bei fast allen Ehepaaren, die ich kenne, mag ich entweder den einen oder den anderen Teil lieber. Man fragt sich immer wieder, was sie aneinander finden. Aber eines weiß ich: Manchmal gehen diese Ehen ganz gut, auch wenn es kein Mensch begreift.«
Ob die Ehe von Dieter und Margot gut ging? Ob es überhaupt mehr als nur eine Ehe auf dem Papier war? »Dorit, was rätst du mir, wie kann ich mir dieses Aas vom Halse schaffen?«
Sie überlegte. »Schwer zu sagen. Wahrscheinlich geht es nicht, ohne daß Levin mitspielt. Er müßte in diesem Punkt eigentlich hundertprozentig zu dir halten. Nun, so sind die Männer, Kumpanei wo man hinsieht. - Aber hast du mir nichts Erfreuliches zu gestehen?«
»Du weißt genau, daß ich es dir zuerst sagen werde, aber bis jetzt bin ich nicht schwanger«, sagte ich grämlich.
Dorit umarmte mich. »Das kommt noch, ein wenig Geduld mußt du haben. Bist du deswegen so depressiv?«
Ich schüttelte den Kopf, und eine Weile schnippelten wir schweigend Bohnen.
Bei unserem derzeitigen asketischen Leben würde ich mit Sicherheit nicht schwanger, und das war vielleicht sogar besser, als mich an so einen Windhund zu binden.
Dorit erriet einen Teil meiner Gedanken: »Du warst schon bei der Hochzeitsfeier stinkig auf Margot, weil sie sich an alle Typen rangeschmissen hat, speziell aber an den , edlen Levin - stimmt’s?«
Ich antwortete nicht. Dorit war in manchen Dingen mein zweites Ich, sie hatte auch Pharmazie studiert und achtete daher ebenso genau auf peinliche Sauberkeit, sie verstand sich ebenfalls auf die Küchenalchemie und liebte kleine Fläschchen, Döschen, Schubladen. Aber in einem Punkt waren wir nie einer Meinung - das waren meine Männer. Dorit hatte einen richtig guten Ehegatten, dessen altersbedingte Bravheit sie spaßeshalber bestritt, einen anständigen, gutverdienenden und vorzeigbaren Partner, was sie gern zugab. Die Gestalten, die ich bisher gesammelt hatte, waren ihr einfach zuwider.
Mein Schweigen schien ihr recht zu geben. Sie war der Sache auf der Spur. »Weißt du, Hella«, begann sie aufs neue, »ich habe kürzlich gelesen: ›Sexualität ist Macht, und Macht ihrem Wesen nach aggressiv‹, klug gesagt, nicht wahr?«
»Und was schließen wir daraus?« fragte ich ironisch.
»Es geht noch weiter«, sagte Dorit. »Guter Wille, Zuverlässigkeit, Treue, Moral und so weiter vermögen nichts, wenn Sex im Spiel ist - die Natur ist viel stärker als alle unsere humanistischen und christlichen Gebote.«
»Soll ich mich freuen über deine Philosophie?«
»Im
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