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Die Apothekerin

Die Apothekerin

Titel: Die Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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erwartete, daß ich ihm das Vermögen überschrieb, durch allerlei Andeutungen und Liebesbeweise seinerseits ließ er es mich spüren. Eine solche Situation nützte ich aus, um wieder zu bohren, warum Dieter und Margot verheiratet waren.
    »Sie hat ihm einmal ein Alibi verschafft«, sagte Levin zögernd.
»Also ein falsches Alibi?«
»Klar.«
Nach längerem Insistieren erfuhr ich, daß Margot damals schwanger war.
»Von Dieter?«
»Wahrscheinlich.«
Und wo war das Kind geblieben?
»Margot hat Drogen genommen, auch während der Schwangerschaft, das Kind kam viel zu früh und ist gestorben.«
Darüber regte ich mich so auf, daß ich kaum noch zu beruhigen war.
»Es hatte auch sein Gutes«, meinte Levin. »Margot trug einen solchen Schock davon, daß sie aufhörte zu fixen.«
Margot tat mir zwar ein wenig leid, aber andererseits konnte ich ihre Verantwortungslosigkeit nicht begreifen. Und was war das für eine Sache mit dem Alibi? Er verriet es nicht.
    Wir fuhren nun an jedem Wochenende nach Viernheim und begutachteten die Fortschritte der Handwerker. Inzwischen hatte ich eine innige Liebe zu meinem Haus entwickelt. Ein Wintergarten war schon immer mein Traum gewesen. Er wurde an die Rückseite des Hauses angebaut und bot einen wunderschönen Blick in meinen großen Garten. In Gedanken sah ich Blumen und Pflanzen zu allen Jahreszeiten darin wuchern, Rattanmöbel mit indischen Seidenkissen luden zum Verweilen ein, ein Papagei schaukelte zwischen tropischen Luftwurzeln. Mein Paradies sollte es werden.
    Es gefiel mir allerdings überhaupt nicht, daß Dieter und Margot keine Anstalten machten, ihre Sachen zu packen. Levin meinte, schließlich wollten wir erst nach der Renovierung einziehen und bis dahin könne man den beiden ruhig zwei Zimmer zur Verfügung stellen, schließlich hätten sie noch nichts Annehmbares gefunden.
    »Sie suchen doch gar nicht nach einer Wohnung«, sagte ich. »Natürlich suchen sie«, protestierte Levin, »aber du kennst ja die Situation auf dem Wohnungsmarkt, von heute auf morgen kriegt man nichts.«
Dieter hatte offensichtlich eine mir unbekannte Abfindungssumme erhalten, denn wovon sollte er sonst leben? Auch Margot schien ihr Gehalt weiterhin zu beziehen, was allerdings einen gewissen Sinn machte; immerhin schloß sie den Handwerkern auf, putzte den Dreck hinter ihnen weg und versorgte sie mit Getränken.
Zwei Bäder hielt ich für gerechtfertigt - das Haus hatte bisher nur eines besessen -, denn unsere Kinder sollten im eigenen Badezimmer planschen, aber brauchten wir auch zwei Küchen?
»Wenn wir mal nicht bei Kasse sind«, sagte Levin, »kann man ein Stockwerk vermieten, mit Küche ist jede Etage eine komplette Wohnung.«
»Wenn es wirklich nötig wird, kann man immer noch umbauen«, entschied ich und ließ nicht mit mir handeln.
Als wir schließlich - nach drei Monaten Bauzeit - einzogen, wohnten Dieter und Margot immer noch dort, und wir hatten eine gemeinsame Küche. Das Drama war vorprogrammiert.
Ich bin ein ordentlicher, fast pedantischer Mensch, sonst wäre ich nicht Apothekerin geworden. Schon als kleines Mädchen liebte ich es, Kuchen und Plätzchen zu backen, wobei ich mit der Briefwaage alles aufs Gramm genau auswog. Meine Küche blitzt, sie hat System, ich kann mit einem Griff blindlings greifen, was ich gerade brauche. Schon bei Levins Schlampereien war ich empfindlich, aber ich verzieh ihm, wie man einem Kind verzeiht.
Meine Küche ist ein kleines Laboratorium, mein Reich der Düfte, Gewürze und Experimente, in dem ich mich nach einem langen Verkaufstag in der Apotheke erhole. Ich besitze von meiner Großmutter einen uralten Puppen-Kaufmannsladen mit dreißig Holzschubladen, zierlich mit Porzellanschildchen versehen, in denen meine Gewürze lagern.
Das war der erste Schock: Vanille, Zimt, Nelken und Kardamom waren nicht mehr getrennt in ihren niedlichen Schublädchen aufbewahrt, sondern steckten alle zusammen in einer schrill-rosa Plastikdose für Billigkaffee. Statt dessen hatte Margot in meine Schiebkästchen Wundpflaster, Einmachringe, Tiefkühletiketten, Büroklammern, einen Radiergummi und ähnliche Non-food-Ware einquartiert. Ich erlitt fast eine Ohnmacht, raffte diese ekligen Gegenstände zusammen und schüttete sie Margot in ihr unreinliches Schlafzimmer. Sie verstand das richtig: Der Krieg hatte begonnen.
Durch den Umzug war mein Leben etwas komplizierter geworden. Von meiner ersten Wohnung war es ein Katzensprung bis zur Apotheke gewesen, von Schwetzingen aus schon

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