Die Apothekerin
mich besser als in meinen eigenen vier Wänden.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag war ich allerdings noch zu Hause. Dieter tauchte wieder auf, sprach kaum und bereitete die Gans korrekt mit Rotkohl und Klößen zu. Die Stimmung war triste. Levin schien keine Lust zu haben, seinen Freund auf den Tobsuchtsanfall anzusprechen, ich tat es erst recht nicht. Vom 27. bis 30. Dezember mußte ich arbeiten, an Silvester hatte ich dummerweise wieder frei.
Es gab wirklich einen Sturm auf die Apotheke, als hätten wir Schlußverkauf. Als letzter tauchte Pawel Siebert auf. »Was haben sich Ihre Kinder denn diesmal eingefangen?« fragte ich beim Heraussuchen fiebersenkender Zäpfchen.
»Beide haben Masern, und das in den Weihnachtsferien!«
Ich bedauerte ihn. Das zweite Problem, erzählte er nun schon zutraulicher, sei die Geburtstagstorte seiner kleinen Tochter. »Das Rezept ist zwar da«, sagte er resigniert, »aber ans Backen traue ich mich nicht.«
Meine Stunde war gekommen. Ich geriet in Begeisterung. Am Abend vor dem Geburtstag der rot gesprenkelten Tochter stand ich in einer fremden Küche und backte eine Schokotorte, bei der ich mich mit Mickymäusen aus Marzipan profilieren konnte.
Der traurige Pawel entpuppte sich als liebenswürdiger Helfer, der nach getaner Arbeit mit mir anstoßen sollte: er mit Rotwein, ich mit Apfelsaft. Die Kinder wollten gelegentlich in Schlafanzug und Pantoffeln die Küche stürmen, wurden aber von ihrem Vater ausgesperrt. »Es ist eine Überraschung«, brüllte er und aß eine Mini-Maus mit schwarzen Schokoladenohren einfach auf. Ob ich nicht Lust hätte, morgen vorbeizukommen und meine köstliche Torte zu probieren. »Wissen Sie, masernkranke Kinder können ihre Freunde nicht einladen. Aber Sie sind doch immun…«
»Mal sehen«, sagte ich.
Zu Hause herrschte Grabesstille. Nur Tamerlan sprang mir entgegen. Allerdings hatten die Handwerker inzwischen eine neue Scheibe eingesetzt, und einer meiner Männer hatte die Pflanzen an ihren angestammten Ort getragen, gründlich saubergemacht und einen Strauß gelbe Rosen auf den Tisch gestellt. Da die Heizung im Wintergarten noch gedrosselt war, während Levin immer voll aufdrehte, nahm ich an, es war Dieters Werk.
»Was soll ich überhaupt hier«, sagte ich mir resigniert. Dann rief ich Dorit an. »Heute habe ich für einen Kindergeburtstag eine Schokoladentorte gebacken«, erzählte ich.
Dorit war gleich neugierig. »Ach, der Siebert?« sagte sie. »Die Lene geht mit unserer Sarah in den Kindergarten. Ein süßes Kind und trotz der verrückten Mutter kein bißchen verstört.«
»Warum heißt der Typ eigentlich Pawel?« fragte ich.
Seine Familie stammte aus Prag. Er holte seine Tochter stets vom Kindergarten ab. »Der Mann gefällt mir«, meinte Dorit. »Ich habe eine Schwäche für Wissenschaftler, noch dazu, wenn sie einen Rauschebart haben wie Karl Marx.«
Ich mußte lachen, mir gefiel nämlich der Bart auch besonders gut. »Zu dumm, daß wir beide vergeben sind und Pawel ebenfalls. Und bald wird mein Bauch sich wölben, und kein fremder Rauschebart will mit mir Schokotorte backen.«
»Weißt du was?« schlug Dorit vor, »wir könnten zusammen Silvester feiern, meine Eltern werden sicher gern auf die Kinder aufpassen.«
Meinem Bruder Bob hatte ich bereits abgesagt; auch an Dorits Idee hatte ich keine rechte Freude. Der weinerliche Levin und der eifersüchtige Dieter in Verbindung mit Alkohol waren keine glückliche Kombination. Aber vielleicht waren eine nette Freundin und eine Respektsperson wie Gero ja die Rettung.
Als ich mir ein mildes Süpplein gekocht hatte und es lustlos löffelte, kam Dieter herein. »Tut mir alles leid«, sagte er muffig, »aber so geht es nicht weiter. Du mußt Levin sagen, daß ich der Vater bin.«
Ich antwortete nicht.
»Es hat doch keinen Zweck, ihn weiterhin zu schonen«, sagte Dieter, »jetzt leistet er sowieso Trauerarbeit, dann geht es in einem Aufwasch.«
Entnervt sah ich ihn an, grimmig er mich.
Plötzlich erinnerte er sich an die bewährte Taktik, den Rivalen durch Enthüllungen zu erledigen: »Ich wollte dich eigentlich nicht damit quälen, aber du hast ein völlig falsches Bild von Levin. Am ersten Feiertag habe ich meinen Bruder in der Pfalz besucht. Was ich da zu hören bekam…«
Ich wurde rot. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
»Mach’s kurz«, sagte ich.
»Levin hat es mit Margot getrieben«, sagte er tonlos und sah mich erwartungsvoll an.
Fast hätte ich mich durch ein wissendes Nicken
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