Die Arche
die Bettler die Sache diskret
behandelt wissen wollen. Der makellose Ruf des Hospizes könnte
Schaden nehmen, wenn so etwas bekannt würde.«
»Richtig.« Sie gestattete sich eine winzige Spur
Erleichterung und war für einen Moment gefährlich nahe
daran, ihre aufsässige Pose etwas zurückzunehmen. Doch dann
sagte sie: »Nachdem du jetzt wirklich alles weißt,
könntest du mich doch endlich weiterfliegen lassen. Oder willst
du dich etwa mit dem Hospiz anlegen?«
»Ganz sicher nicht. Aber nachdem wir schon so weit gekommen
sind, wäre es doch wirklich eine Schande, sich den Passagier
nicht auch noch anzusehen.«
»Schön«, seufzte sie. »Wenn es unbedingt sein
muss.«
Sie hatten den Tank erreicht. Er stand nicht weit von der
rückwärtigen Wand entfernt, eine ganz gewöhnliche
Kälteschlafkoje, mattsilbern, mit einem rechteckigen
Rauchglasfenster im Deckel. Darunter war, ebenfalls von einer
Rauchglasscheibe geschützt, ein Schaltpult mit Tasten und
Statusanzeigen eingelassen. Unter dem Glas glommen verschwommene
bunte Lichter.
»Sonderbar, dass er so weit hinten festgemacht ist«,
bemerkte die Polizeidrohne.
»Finde ich gar nicht. Er steht gleich neben der Frachtluke
– schnell ein- und noch schneller wieder auszuladen.«
»Zugegeben. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich ihn mir
etwas näher ansehe?«
»Lass dich nicht aufhalten.«
Die Polizeidrohne trippelte auf einen Meter an den Tank heran und
fuhr mehrere sensorbewehrte Gliedmaßen aus, hütete sich
jedoch, etwas zu berühren. Sie wollte offenbar um jeden Preis
vermeiden, Hospiz-Eigentum zu beschädigen oder den Insassen des
Tanks in irgendeiner Weise zu gefährden.
»Sie sagten doch, der Mann wäre vor kurzem in Idlewild
aufgenommen worden?«
»Ich weiß nur, was mir das Hospiz gesagt hat.«
Die Polizeidrohne klopfte sich nachdenklich mit einer
Gliedmaße gegen den eigenen Körper. »Sonderbar, weil
nämlich in letzter Zeit keine größeren Schiffe
eingetroffen sind. Seit die Nachricht von unserem Krieg jetzt auch in
die entferntesten Systeme gedrungen ist, wird Yellowstone nicht mehr
so häufig angeflogen wie früher.«
Sie zuckte die Achseln. »Wenn du Zweifel hast, solltest du
noch einmal mit dem Hospiz reden. Ich weiß nur, dass ich hier
eine Raupe habe, die man dort zurückhaben will.«
Die Polizeidrohne fuhr ein Gerät aus, das aussah wie eine
Kamera, und bewegte es dicht über dem Sichtfenster im Deckel hin
und her.
»Es ist eindeutig ein Mann«, sagte sie, als hätte
Antoinette das noch nicht gewusst. »Und der Kälteschlaf ist
auffallend tief. Was dagegen, wenn ich das Statusfenster aufklappe
und mir die Anzeigen ansehe, wenn ich schon einmal hier bin? Wenn es
Probleme gibt, könnte ich eine Eskorte organisieren, mit der Sie
blitzschnell zum Hospiz…«
Bevor Antoinette eine Antwort oder eine glaubwürdige Ausrede
einfallen konnte, hatte die Drohne bereits die Rauchglasklappe
über den Schaltknöpfen und Statusanzeigen geöffnet.
Sie hielt sich an den Streben des Lagergitters fest, beugte sich vor
und bewegte ihr Scannerauge über dem Display hin und her. An
manchen Stellen verharrte sie kurz.
Antoinette brach der Schweiß aus. Die Displays waren auf den
ersten Blick überzeugend, doch jeder, der sich mit einem
Kälteschlaftank auskannte, wäre auf der Stelle misstrauisch
geworden. Sie zeigten nicht ganz die Werte eines Passagiers im
normalen Kryo-Schlaf. War der Verdacht erst einmal da, dann
genügten schon ein paar weiterführende Fragen und der Abruf
verschiedener verborgener Anzeigen, um die Wahrheit ans Licht zu
bringen.
Die Polizeidrohne sah sich die Anzeigen genau an und war offenbar
befriedigt. Der Scanner zog sich zurück. Antoinette schloss kurz
die Augen, doch das bereute sie gleich wieder, denn die Drohne fuhr
einen dünnen Greifarm aus und näherte sich damit abermals
dem Display.
»Ich würde an deiner Stelle lieber nichts
anfassen…«
Die Drohne gab über die Tasten unter der Statusanzeige einen
Befehl ein. Neue Lichter erschienen – stahlblaue Wellenlinien
und zitternde Histogramme.
»Das sieht komisch aus«, stellte die Drohne fest.
»Wieso?«
»Fast so, als wäre der Insasse bereits
to…«
Eine neue Stimme dröhnte durch den Frachtraum.
»Verzeihung, Kleine Miss…«
Antoinette fluchte innerlich. Sie hatte Biest befohlen, sich still
zu verhalten, solange sie mit der Drohne verhandelte. Aber vielleicht
war es sogar ein Glück, dass Biest beschlossen hatte, diesen
Befehl zu missachten.
»Was gibt
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