Die Arche
man Ihrer Meinung nach vorgehen, wenn
man einen Planeten wie diesen auseinander nehmen wollte, um an das
Gestein zu kommen?«
»Ich weiß es nicht. Aber vielleicht werden wir es bald
erfahren.«
Sie trafen auf die transitionelle Grenzschicht. Im ersten Moment
fürchtete Thorn, sie hätten die Fähre nun doch
überfordert, und sie würde bersten. Vorher hatte der Rumpf
nur geknirscht; jetzt war – ganz kurz nur – ein
gequälter Aufschrei zu hören. Die Konsole flammte rot auf
und erlosch. Einen entsetzlichen Augenblick lang war alles still.
Dann waren sie durch und schwebten reglos in der Luft. Die Konsole
erwachte stotternd wieder zum Leben, und der vielstimmige Chor nahm
seine Warnrufe wieder auf.
»Geschafft«, sagte Vuilleumier. »Und ich glaube,
wir sind noch ganz. Aber man soll das Schicksal nicht herausfordern,
Thorn…«
»Ganz Ihrer Meinung. Allerdings sind wir nun schon so weit
gekommen… nun ja, ich finde, wir sollten doch noch etwas tiefer
vorstoßen.«
»Nein.«
»Wenn ich Ihnen helfen soll, dann möchte ich genau
wissen, worauf ich mich einlasse.«
»Mehr hält das Schiff nicht aus.«
Thorn lächelte. »Es hat doch eben schon sehr viel mehr
ausgehalten, als Sie ihm zugetraut hätten. Sie sollten nicht
immer so pessimistisch sein.«
* * *
Die Vertreterin der Demarchisten betrat die weiße Zelle und
sah ihn an. Hinter ihr standen die drei Ferrisville-Polizisten, denen
er sich im Abflugterminal gestellt hatte, und vier demarchistische
Soldaten. Letztere hatten ihre Feuerwaffen abgegeben, sahen aber in
ihrer feuerroten Panzerung dennoch ziemlich bedrohlich aus. Clavain
fühlte sich alt und gebrechlich und war sich bewusst, seinen
neuen Gastgebern auf Gnade und Ungnade ausgeliefert zu sein.
»Ich bin Sandra Voi«, sagte die Frau. »Sie
müssen Nevil Clavain sein. Warum haben Sie mich rufen lassen,
Clavain?«
»Ich bin im Begriff, zu Ihnen überzulaufen.«
»Das meine ich nicht. Ich wollte wissen, warum gerade mich?
Die Beamten des Konvents sagten, Sie hätten ausdrücklich
nach mir gefragt.«
»Ich dachte, Sie könnten mir ein faires Verfahren
garantieren, Sandra. Ich kannte nämlich eine Verwandte von
Ihnen. Könnte es Ihre Urgroßmutter gewesen sein? Ich neige
inzwischen dazu, die Generationen durcheinander zu bringen.«
Die Frau zog sich den zweiten weißen Stuhl heran und nahm
gegenüber von Clavain Platz. Demarchisten taten so, als
hätte ihr politisches System alle Rangunterschiede abgeschafft.
Kapitäne wurden als Schiffsführer bezeichnet, Generäle
waren Experten für strategische Planung. Natürlich mussten
solche Spezialfähigkeiten auch äußerlich kenntlich
gemacht werden, aber Voi hätte jeden Verdacht, die vielen
Streifen und bunten Bänder an ihrer Tunika könnten für
etwas so Überholtes wie einen militärischen Dienstgrad
stehen, entrüstet von sich gewiesen.
»Ich bin die einzige Sandra Voi seit vierhundert
Jahren«, sagte sie.
»Ich weiß. Die letzte starb auf dem Mars bei dem
Versuch, Friedensverhandlungen mit den Synthetikern
aufzunehmen.«
»Das ist alte Geschichte.«
»Was nicht heißt, dass es nicht wahr ist. Voi und ich
gehörten der gleichen Friedensmission an. Ich lief kurz nach
ihrem Tod zu den Synthetikern über und bin seither dort
geblieben.«
Die Augen der jüngeren Sandra Voi wurden glasig. Clavains
Implantate registrierten, wie ein Strom von Daten durch ihren
Schädel raste. Er war beeindruckt. Seit der Seuche verzichteten
die meisten Demarchisten auf weitergehende neurale
Aufrüstung.
»Ihre Angaben stimmen nicht mit unseren Aufzeichnungen
überein.«
»Nein?« Clavain zog eine Augenbraue hoch.
»Nein. Nach unseren Informationen hat Clavain nach seiner
Fahnenflucht nur noch einhundertfünfzig Jahre gelebt. Sie
können unmöglich dieselbe Person sein.«
»Ich hatte den von Menschen bewohnten Weltraum mit einer
interstellaren Expedition verlassen und bin erst vor kurzem
zurückgekehrt. Deshalb gibt es aus jüngerer Zeit kaum
Unterlagen über mich. Aber spielt das eine Rolle? Der Konvent
hat doch schon festgestellt, dass ich Synthetiker bin.«
»Das könnte eine Falle sein. Warum sollten Sie zu uns
überlaufen wollen?«
Wieder hatte sie ihn überrascht. »Warum sollte ich
nicht?«
»Vielleicht haben Sie zu viele von unseren Zeitungen gelesen.
In diesem Fall habe ich eine echte Neuigkeit für Sie: Ihre Seite
steht kurz davor, den Krieg zu gewinnen. Ein einzelner
Spinnen-Überläufer wird daran nichts mehr
ändern.«
»Das hatte ich auch nicht
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