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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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angenommen«, sagte
Clavain.
    »Und?«
    »Ich möchte nicht deshalb überlaufen.«
    * * *
    Sie flogen, der schallnahen Schockwelle der
Unterdrücker-Maschine stets voraus, immer tiefer. Der Fleck auf
dem Passivradarschirm – das Ding, das sie in einem Abstand von
dreißigtausend Kilometern verfolgte – blieb, wo er war. Er
verschwamm immer wieder, ohne jemals vollends zu verschwinden. Das
Licht von oben wurde ständig schwächer, bis der Himmel kaum
noch heller war als die unbewegten schwarzen Tiefen unter ihnen. Ana
Khouri schaltete die Kabinenbeleuchtung aus, um die Sicht nach
draußen zu verbessern, aber das half nicht viel. Die einzige
echte Lichtquelle war die Vorderkante der Röhre, und auch der
kirschrote Strich glühte nicht mehr so hell wie zuvor. Die
Röhre bewegte sich relativ zur Atmosphäre nur noch mit
fünfundzwanzig Kilometern pro Sekunde: ihr Winkel war steiler
geworden, sie stürzte jetzt fast senkrecht auf die
Grenzschichten zu, wo die Atmosphäre anfing, sich zu
flüssigem Wasserstoff zu verdichten.
    Bei der nächsten Druckwarnung zuckte Khouri zusammen.
»Viel tiefer geht es nicht mehr. Und diesmal meine ich es
wirklich ernst. Wir würden zermalmt. Draußen herrschen
bereits fünfzig Atmosphären, und das Ding sitzt uns immer
noch im Nacken.«
    »Nur ein kleines Stück noch, Ana. Können wir die
Grenzschicht erreichen?«
    »Nein«, erklärte sie kategorisch. »Nicht mit
diesem Schiff. Es ist ein Luftatmer. Wenn die Triebwerke
flüssigen Wasserstoff bekommen, sterben sie ab, wir stürzen
in die Tiefe, dann implodiert der Rumpf, und wir werden zerquetscht.
Das ist kein schöner Tod, Thorn.
    »Der Röhre scheint der hohe Druck nichts auszumachen.
Sie wird wahrscheinlich noch sehr viel tiefer vordringen. Was glauben
Sie, wie lang sie schon ist? Alle fünfzehn Sekunden entsteht
ungefähr ein Kilometer, nicht wahr? Das sind tausend Kilometer
in vier Stunden. Sie müsste inzwischen um den Planeten
herumreichen.«
    »Wir wissen nicht, ob das so ist.«
    »Nein, aber wir können eine qualifizierte Schätzung
vornehmen. Wissen Sie, woran ich ständig denken muss,
Ana?«
    »Nein, aber Sie werden es mir sicher gleich sagen.«
    »An Wicklungen. Wie in einem Elektromotor. Ich kann mich
natürlich täuschen.« Thorn lächelte ihr zu.
    Es kam ganz plötzlich. Sie war nicht darauf gefasst und im
ersten Moment – trotz ihrer militärischen Ausbildung –
vor Schreck wie gelähmt. Er hatte sich von seinem Sitz
abgestoßen und schwebte durch die Kabine auf sie zu. Obwohl er
nicht schwerelos war – sie flogen weit unter
Orbitalgeschwindigkeit –, steuerte er sein Ziel mühelos und
mit fließenden Bewegungen exakt an und zog sie sanft aus dem
Pilotensessel. Ihr Widerstand war zwecklos. Thorn war viel
stärker und wehrte ihre Schläge geschickt ab. Sie hatte
ihre Nahkampfkenntnisse zwar nicht vergessen, aber mit Technik
ließ sich, vor allem bei einem gleichwertigen Gegner, nicht
alles kompensieren.
    »Ruhig, Ana, ganz ruhig. Ich werde Ihnen nichts
tun.«
    Bevor sie wusste, wie ihr geschah, hatte Thorn sie in den
Copilotensessel bugsiert, zwang sie, sich auf die Hände zu
setzen, und zog ihr das Beschleunigungsnetz über die Brust.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie noch atmen konnte, zog
er es fester. Wenn sie zappelte, legte sich das Netz selbsttätig
um ihre Glieder und fesselte sie.
    »Thorn…«, sagte sie.
    Er ließ sich auf dem Pilotensitz nieder. »So. Wie
wollen wir vorgehen? Werden Sie mir freiwillig sagen, was ich wissen
will, oder muss ich Druck ausüben?«
    Er bearbeitete die Steuerkonsole. Das Schiff machte einen Satz;
Alarmsirenen heulten auf.
    »Thorn…«
    »Tut mir Leid. Als Sie noch dran waren, sah es so einfach
aus. Vielleicht steckt doch mehr dahinter, als man auf den ersten
Blick glauben würde?«
    »Sie können dieses Ding nicht fliegen.«
    »Ich bin aber wild entschlossen, es zu versuchen! Also…
was passiert, wenn ich hier drücke? Mal sehen…« Auch
diesmal reagierte das Schiff sehr heftig, und wieder schrillten
Sirenen. Doch dann begann es widerwillig, seinen Befehlen zu folgen.
Der künstliche Horizont kippte. Sie legten sich in die Kurve.
Thorn zog die Fähre hart nach Steuerbord.
    »Achtzig Grad…«, las er ab. »Neunzig…
einhundert…«
    »Thorn, nein. Sie halten direkt auf die Schockwelle
zu.«
    »Das ist auch meine Absicht. Glauben Sie, der Rumpf macht das
noch mit? Sie dachten ja, die Belastung wäre ohnehin schon
ziemlich hoch. Aber das werden wir über kurz oder

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