Die Arche
auf allen Welten aussehen. Sie waren aus verschiedenen
Siedlungen über tausende von Kilometern hier
zusammengeströmt. Und sie hatten einen hohen Preis bezahlt:
insgesamt hatten etwa zehn Prozent das Ziel nicht erreicht. Sie
hatten mitgebracht, was sie an Ausrüstung für die Reise auf
dem Landweg brauchten, obwohl sie wussten – jedenfalls, wenn das
illegale Nachrichtennetz es geschafft hatte, seine Informationen
überall zu verbreiten –, dass sie auf das Schiff nur
mitnehmen konnten, was sie auf dem Leibe trugen. Bevor ein Trupp die
Fähre bestieg, musste alles Übrige in ein kleines Loch
geworfen werden, das man unweit des Lagers ausgehoben hatte. Darunter
fielen auch Dinge wie Fotografien und Kinderspielzeug, von denen sich
die Menschen bis zum allerletzten Moment nicht trennen konnten. Dabei
wäre es vernünftiger gewesen, sie gleich zu Hause zu
lassen, anstatt sich auf dem langen und beschwerlichen Weg über
Resurgams Oberfläche damit abzuschleppen. Nun wurde alles
vergraben, die Relikte der Menschheit bereicherten den eine Million
Jahre alten Schatz an Amarantin-Artefakten, der ebenfalls noch auf
dem Planeten ruhte.
»Wir haben uns darum gekümmert«, sagte Khouri.
»Einige von den Beobachtern, die bereits vor Ort waren, sind in
die großen Bevölkerungszentren zurückgekehrt. Es war
natürlich nicht einfach, sie dazu zu bewegen, nachdem sie schon
so weit gekommen waren, aber…«
»Wie habt ihr es geschafft?«
Der Wagen fegte mit quietschenden Reifen um eine Kurve. Die
kubischen Bauten des Viertels, in dem die Inquisitionsbehörde
lag, kamen in Sicht, hohe, glatte Wände, so grau wie
Granitfelsen. Thorn sah ängstlich daran empor.
»Wir haben ihnen versprochen, sie dürften ein paar
persönliche Dinge mit auf das Schiff nehmen, wenn sie
wiederkämen.«
»Mit anderen Worten, ihr habt sie bestochen.« Thorn
schüttelte den Kopf. Konnte man überhaupt ein großes
Werk vollbringen, ohne es mit Korruption zu besudeln, und sei es auch
zu einem guten Zweck? »Aber irgendwie mussten die Städte
informiert werden. Wie viele sind inzwischen eingetroffen?«
Khouri hatte die Zahlen parat. »Nach letzter Zählung
fünfhundert im Orbit. Ein paar hundert warten noch am Boden.
Wenn wir fünfhundert zusammen haben, startet die nächste
Fähre von der Oberfläche, dann ist das Transfer-Shuttle
voll und bringt die ganze Ladung zur Sehnsucht.«
»Sie sind sehr mutig«, sagte Thorn. »Oder sehr,
sehr töricht. Ich weiß es nicht.«
»Mutig, Thorn, das steht außer Zweifel. Und
natürlich haben sie auch Angst. Wer wollte ihnen das
verdenken.«
Die Menschen hatten tatsächlich viel Mut bewiesen, als sie
die Reise zu den Fähren auf sich nahmen, für deren Existenz
es nur spärlichste Beweise gab. Nach Thorns Verhaftung war die
gesamte Exodus-Bewegung eine einzige Gerüchteküche. Die
Regierung hatte weiterhin ihre Dementis herausgegeben und die
Bevölkerung mit sorgfältig gewählten Formulierungen in
dem Eindruck bestärkt, Thorns Raumschiffe seien vielleicht doch
kein Hirngespinst. Wer sich bisher auf die Reise zu den Fähren
gemacht hatte, handelte gegen den ausdrücklichen Rat der
Regierung und lief Gefahr, beim Betreten des gesperrten Gebiets
gefangen genommen und zum Tode verurteilt zu werden.
Thorn bewunderte diese Menschen. Hätte er nicht selbst die
ganze Bewegung ins Leben gerufen, er wusste nicht, ob er so mutig
gewesen wäre, aus den Gerüchten den logischen Schluss zu
ziehen. Aber Stolz empfand er nicht. Die Menschen wurden nach wie vor
über ihr Schicksal getäuscht, und er half dabei nach
Kräften mit.
Der Wagen fuhr am Hintereingang der Inquisitionsbehörde vor.
Thorn und Khouri betraten nach den üblichen
Sicherheitskontrollen das Gebäude. Thorns Identität war
immer noch ein streng gehütetes Geheimnis. Man hatte ihn mit
einem kompletten Satz falscher Papiere versehen, damit er sich in und
um Cuvier frei bewegen konnte. Für die Wärter war er
lediglich ein neuer Beamter der Inquisitionsbehörde, der in
Regierungsgeschäften unterwegs war.
»Glaubst du immer noch, dass das funktioniert?«,
flüsterte er, während er hinter Khouri die Treppe
hinaufeilte.
»Wenn nicht, sind wir erledigt«, gab sie ebenso leise
zurück.
Triumvir Ilia Volyova wartete im größeren Zimmer der
Inquisitorin. Sie saß rauchend auf dem Sessel, der
gewöhnlich für Thorn reserviert war, und schnippte die
Asche auf den blank gewienerten Boden. Thorn ärgerte sich
über ihre demonstrative Unachtsamkeit. Aber der
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