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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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zu
entkräften. Letzte Gewissheit würde er erst bekommen, wenn
er ihr wieder gegenüberstand und sie selbst fragen konnte.
    Durfte das überhaupt eine Rolle spielen? Ihr Wert als Mensch
war unabhängig von einer hypothetischen genetischen
Verwandtschaft zu ihm. Selbst wenn sie seine Tochter war, hatte er
das erst lange, nachdem er sie vom Mars gerettet hatte, gewusst oder
auch nur geahnt. Und doch hatte ihn irgendetwas veranlasst, trotz
großer Gefahr für Leib und Leben in Galianas Nest
zurückzukehren, um sie zu holen. Galiana hatte behauptet, es sei
sinnlos, sie sei kein denkendes Wesen in dem Sinn, wie er das
verstünde, sondern nur ein informationsverarbeitender Organismus
ohne eigenes Bewusstsein.
    Er hatte ihr das Gegenteil bewiesen, vermutlich das einzige Mal in
seinem Leben, dass ihm das bei Galiana gelungen war.
    Doch auch das spielte keine Rolle. Es ging jetzt nicht um
Blutsbande und nicht um Loyalität, dachte Clavain, sondern um
Menschlichkeit. Wenn er das vergaß, kam es nicht mehr darauf
an, ob Skade mit den Geschützen abzog. Er könnte zu den
Spinnen zurückkehren und den Rest der Menschheit ihrem Schicksal
überlassen. Gelang es ihm andererseits nicht, die Geschütze
zu bergen, dann nützte auch eine menschliche Geste nichts, und
wäre sie auch noch so gut gemeint.
    Die vier Schiffe waren verschwunden, und Clavain betete immer
noch, er möge die richtige Entscheidung getroffen haben.
    * * *
    Eine Regierungslimousine rauschte durch Cuviers Straßen. Es
hatte wieder geregnet, aber vor kurzem hatten sich die Wolken
verzogen. Der verwüstete Gasriese war jetzt allabendlich
über viele Stunden deutlich zu sehen. Die Wolke aus
freigesetzter Materie umgab ihn wie ein filigranes Ungeheuer mit
vielen Armen, das rot, ockergelb und fahlgrün leuchtete.
Gelegentlich durchzuckten sie träge Blitze, oder sie pulsierte
wie ein Tiefseekrake bei der Brautwerbung. Harte Schatten und helle
symmetrische Punkte kennzeichneten die Zonen, wo sich im Innern neue
Unterdrücker-Maschinen bildeten und verfestigten. Bis vor
einiger Zeit hatte man sich noch in dem Glauben wiegen können,
auf dem Planeten finde ein wenn auch sehr seltenes Naturereignis
statt. Dieser Trost war jetzt dahin.
    Thorn hatte erlebt, wie die Menschen in Cuvier mit dem
Phänomen umgingen. Die meisten beachteten es nicht. Wenn das
Ding am Himmel stand, gingen sie durch die Straßen, ohne
aufzublicken. Selbst als die Tatsache seiner Existenz nicht mehr zu
leugnen war, betrachteten sie es selten direkt und sprachen nur in
verschlüsselter Form darüber, so als könnten sie es
durch entschlossene kollektive Verdrängung zum Verschwinden
bringen – ein Omen, das vom Volk auf allgemeinen Beschluss nicht
zur Kenntnis genommen wurde.
    Thorn saß auf einem der beiden Rücksitze hinter der
Fahrertrennwand. In der Rückenlehne des Fahrersitzes flimmerte
ein kleiner Fernsehschirm und tauchte sein Gesicht in seinen
bläulichen Schein. Thorn sah sich einen Film an, der weit
draußen vor der Stadt mit einer Handkamera aufgenommen war. Die
Bilder waren verschwommen und unruhig, aber es war alles da, was er
brauchte. Die erste der beiden Raumfähren stand noch am Boden
– die Kamera schwenkte darüber hin und verharrte auf dem
surrealen Kontrast von blitzender Technik und bizarren
Felsformationen –, aber die zweite war in der Luft und kam
soeben aus dem Orbit zurück. Sie war bereits mehrmals jenseits
der Atmosphäre von Resurgam gewesen, wo das viel
größere interplanetare Shuttle um den Planeten kreiste.
Jetzt wanderte die Kamera nach oben, fing das Schiff im Anflug auf
den Landeplatz ein und zeigte, wie es auf drei Flammenstrahlen
aufsetzte.
    »Es könnte eine Fälschung sein«, sagte Thorn
leise. »Ich weiß, dass es echt ist, aber genau das werden
die Leute denken.«
    Khouri saß als Vuilleumier verkleidet neben ihm. »Wenn
man sich Mühe gibt«, sagte sie, »kann man alles
fälschen. Aber seit nur noch mit Analogmedien gespeichert wird,
ist es nicht mehr so einfach wie früher. Ich bin nicht sicher,
ob selbst eine ganze Regierungsbehörde etwas zustande
brächte, was überzeugend genug wäre.«
    »Die Leute werden trotzdem misstrauisch sein.«
    Die Kamera schwenkte über die kleine Menge hin, die sichtlich
nervös am Boden wartete. Dreihundert Meter von der parkenden
Fähre entfernt befand sich ein kleines Lager. Die staubigen
Zelte waren kaum von den herabgestürzten Felsblöcken zu
unterscheiden. Die Menschen sahen aus, wie Flüchtlinge aus allen
Zeiten und

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