Die Arche
Triumvir
hätte ihm zweifellos entgegengehalten, bald wäre der ganze
Planet nur noch ein Haufen Asche, was käme es da auf ein paar
Krümel mehr an?
»Irina«, sagte er. Unter diesem Namen trat sie in Cuvier
auf.
»Thorn.« Sie drückte ihre Zigarette auf der
Armlehne aus und stand auf. »Sie sehen gut aus. Die
Regierungsgefängnisse sind offenbar doch nicht so schlimm, wie
immer behauptet wird.«
»Wenn das ein Scherz sein soll, ist er nicht sehr
geschmackvoll.«
»Stimmt.« Sie zuckte die Achseln, als erübrige sich
eine Entschuldigung. »Haben Sie schon gesehen, was sie seit
neuestem treiben?«
»Sie?«
Triumvir Ilia Volyova schaute durch das Fenster zum Himmel empor.
»Na, wer wohl?«
»Natürlich. Es ist ja nicht mehr zu übersehen.
Wissen Sie, was in dieser Wolke entsteht?«
»Eine neue Maschine, Thorn. Ich vermute, irgendein
Mechanismus, der unsere Sonne zerstören soll.«
»Warum reden wir nicht nebenan weiter?«, fragte
Khouri.
»Ach nein«, widersprach Volyova. »Dein Kabinett hat
keine Fenster, Ana, und die Aussicht regt den Geist an, findest du
nicht? In wenigen Minuten wird alle Welt erfahren, dass Thorn mit der
Obrigkeit gemeinsame Sache macht.« Sie sah ihn scharf an.
»Nicht wahr?«
»Wenn Sie es so nennen wollen.
Thorn hatte seine ›Erklärung‹ – worin er im
Namen der Regierung offenbarte, die Fähren seien
tatsächlich vorhanden, der Planet befinde sich in der Tat in
unmittelbarer Gefahr und die Regierung hätte ihn, wenn auch nur
ungern, gebeten, sich an die Spitze der offiziellen
Evakuierungsoperation zu stellen – bereits aufgezeichnet. Sie
sollte noch in dieser Stunde über alle Fernsehschirme von
Resurgam flimmern und den ganzen folgenden Tag über in
regelmäßigen Abständen wiederholt werden.
»Die Menschen werden es nicht so auffassen«, sagte
Khouri und warf ihrer Freundin einen bösen Blick zu. »Sie
werden begreifen, dass er nicht aus eigennützigen Interessen
handelt, sondern aus Sorge um das Volk. Das wird sie überzeugen,
weil es zufällig die Wahrheit ist.« Sie wandte sich an ihn.
»Richtig?«
»Ich spreche nur aus, was die Allgemeinheit denken
wird«, sagte Volyova. »Aber lassen wir das. Wir werden noch
früh genug sehen, wie die Reaktion ausfällt. Ist es wahr,
dass in einigen der entlegeneren Siedlungen bereits Unruhen
ausgebrochen sind, Ana?«
»Sie konnten rasch niedergeschlagen werden.«
»Aber das war sicher noch nicht alles. Wundert euch nicht,
wenn die Leute versuchen werden, die Regierung zu
stürzen.«
»Dazu wird es nicht kommen«, sagte Khouri. »Wenn
die Menschen erst begreifen, was auf dem Spiel steht, werden sie
einsehen, dass die Regierungsbürokratie gebraucht wird, um
für die reibungslose Abwicklung des Exodus zu sorgen.«
Der Triumvir grinste Thorn höhnisch an. »Ist sie nicht
immer noch ein hoffnungsloser Optimist?«
»Irina hat leider Recht«, sagte Thorn. »Wir
müssen damit rechnen, dass noch viel Schlimmeres passiert. Aber
du hast ja von vornherein nicht erwartet, alle Bewohner heil von
diesem Planeten herunterbringen zu können.«
»Die Kapazitäten wären vorhanden…«,
wandte Khouri ein.
»Menschen sind kein Frachtgut. Du kannst sie nicht
verschnüren und wie kleine Päckchen befördern. Selbst
wenn uns die Mehrheit abkauft, dass die Regierung es mit der
Evakuierung ehrlich meint – was an sich schon ein kleines Wunder
wäre –, könnte eine Minderheit von Andersdenkenden
viel Unruhe stiften.«
»Du selbst hast dir das zum Beruf gemacht«, sagte
Khouri.
»Das ist wahr.« Thorn lächelte traurig.
»Leider bin ich nicht der Einzige da draußen. Aber Irina
hat Recht. Wir werden früh genug sehen, wie die Allgemeinheit
reagiert. Wie steht es überhaupt mit den internen
Komplikationen? Werden die anderen Regierungsbehörden bei all
diesen Machenschaften nicht allmählich misstrauisch?«
»Sagen wir, es könnte nötig werden, sehr diskret
noch den einen oder anderen Mordauftrag zu vergeben«, sagte
Khouri. »Aber damit wären unsere schlimmsten Feinde
erledigt. Die übrigen brauchen wir uns nur so lange vom Leibe zu
halten, bis der Exodus abgeschlossen ist.«
Thorn wandte sich an den Triumvirn. »Sie haben das Ding am
Himmel genauer studiert als wir alle, Irina. Können Sie mir
sagen, wie viel Zeit uns noch bleibt?«
»Nein«, sagte sie knapp. »Wie sollte ich denn? Ich
weiß ja nicht einmal, was da oben eigentlich entsteht. Ich kann
nur eine sehr qualifizierte Schätzung abgeben.«
»Dann tun Sie das doch.«
Sie
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