Die Arche
»Nein. Aber die könnte
man bei der Nachtschatten ohnehin nicht feststellen. Der
Prototyp ist auf maximale Tarnung konstruiert. Unsere üblichen
Scanning-Verfahren funktionieren hier nicht.«
Scorpio veränderte einige Einstellungen. Die Farben des
Bildes verschoben sich in den Grün- und Blaubereich des
Spektrums. »Thermoaufnahme«, sagte er. »Sie hat noch
Energie, Clavain. Bei einem totalen Systemausfall müsste der
Rumpf inzwischen fünf Grad kühler sein.«
»Ich bezweifle nicht, dass es Überlebende gibt«,
sagte Clavain.
Scorpio nickte. »Ein paar vielleicht. Sie werden sich still
verhalten, bis wir vorbei und außer Sensorreichweite sind. Dann
werden sie auf Reparaturmodus umschalten. Und ehe Sie sich versehen,
sitzen sie uns wieder im Nacken und machen uns die gleichen
Schwierigkeiten wie vorher.«
»Das habe ich mir auch überlegt, Scorp«, sagte
Clavain.
Das Schwein nickte. »Und?«
»Ich werde sie nicht angreifen.«
Die schwarzen Augen flammten wild auf.
»Clavain…«
»Felka ist noch am Leben.«
Alle schwiegen verlegen. Die Stille lastete zentnerschwer auf
Clavain. Alle sahen ihn an, sogar Sukhoi, und alle dankten ihren
Sternen, dass sie diese Entscheidung nicht zu treffen
brauchten.«
»Das können Sie nicht wissen«, sagte Scorpio.
Clavain sah, wie seine Kiefermuskeln unter der Anspannung
hervortraten. »Skade hat Sie schon einmal belogen. Das hat
Lasher das Leben gekostet. Sie hat uns keinen Beweis geliefert, dass
Felka sich wirklich in ihrer Gewalt befindet. Und daraus
schließe ich, dass Felka entweder nicht auf diesem Schiff oder
inzwischen tot ist.«
Clavain blieb ruhig. »Womit sollte sie es denn
beweisen?«, fragte er. »Es gibt nichts, was man nicht
fälschen könnte.«
»Sie könnte irgendeine Frage gestellt haben, auf die nur
Felka die Antwort wusste.«
»Du hast Felka nie kennen gelernt, Scorp. Sie ist stark
– viel stärker, als Skade glaubt. Sie würde Skade
niemals etwas in die Hand geben, womit sie mich unter Druck setzen
könnte.«
»Dann hat Skade sie vielleicht bei sich, Clavain. Aber das
heißt nicht, dass sie wach ist. Wahrscheinlich liegt sie im
Kälteschlaf, damit sie keine Schwierigkeiten machen
kann.«
»Wo liegt der Unterschied?«, fragte Clavain.
»Sie würde nichts spüren«, antwortete Scorpio.
»Wir haben jetzt genügend Waffen, Clavain. Die Nachtschatten bietet ein leichtes Ziel. Wir können sie so
schnell und schmerzlos abschießen, dass Felka gar nichts davon
mitbekommt.«
Clavain beherrschte sich und zwang seinen Zorn nieder.
»Würdest du auch so reden, wenn sie Lasher nicht
ermordet hätte?«
Das Schwein hieb mit der Pfote auf das Geländer. »Sie
hat es aber getan, Clavain. Und nur darauf kommt es an.«
»Nein…«, sagte Antoinette. »Es kommt nicht nur
darauf an. Clavain hat Recht. Wenn wir erst anfangen, so zu tun, als
würde ein einzelnes Menschenleben nicht zählen, sind wir
bald ebenso schlimm wie die Wölfe.«
Xavier lächelte voller Stolz auf sie hinab. »Das finde
ich auch«, sagte er. »Tut mir Leid, Scorpio. Ich
weiß, sie hat Lasher getötet, und ich kann auch verstehen,
dass Sie deshalb sauer auf sie sind.«
»Sie haben ja keine Ahnung«, sagte Scorpio. Jetzt klang
er eher traurig als wütend. »Und erzählen Sie mir
nicht, es käme auf einmal auf ein einzelnes Menschenleben an.
Das ist nur so, wenn man jemanden kennt. Auch Skade ist
schließlich ein Mensch. Was ist mit ihr und ihren
Verbündeten auf diesem Schiff?«
Cruz hatte bisher geschwiegen, doch nun sagte sie leise:
»Hör auf Clavain, Scorp. Er hat Recht. Wir werden eine
andere Gelegenheit finden, um Skade zu töten. Jetzt hätte
ich dabei kein gutes Gefühl.«
»Darf ich einen Vorschlag machen?«, fragte
Remontoire.
Clavain sah ihn misstrauisch an. »Und der wäre,
Rem?«
»Wir befinden uns – gerade noch – in
Shuttle-Reichweite. Wir müssten weitere Antimaterie opfern, ein
Fünftel unseres restlichen Vorrats, aber eine solche Chance
kommt vielleicht nie wieder.«
»Was für eine Chance?«, fragte Clavain.
Remontoire sah ihn überrascht an. Für ihn verstand sich
das von selbst. »Felka zu retten, was sonst?«
Kapitel 29
Remontoires Berechnungen bestätigten sich mit so unfehlbarer
Präzision, dass Clavain den Verdacht hatte, er hätte den
Energieverbrauch für den Shuttleflug schon abgeschätzt,
bevor er selbst mit leuchtenden Augen dem Vorschlag einer
Rettungsmission zustimmte.
Es war ein Glück, dass ihnen nur wenig Zeit blieb, um das
Shuttle
Weitere Kostenlose Bücher