Die Arche
der Einzige, der noch ein Exoskelett trug,
drängte sich mit schwirrenden Servomotoren an Pauline Sukhoi
vorbei und trat an den Zylinder.
»Diese Gebilde sind mir nicht bekannt, Clavain, aber sie
scheinen mir nicht zufällig entstanden zu sein.«
Clavain nickte. Das war auch seine Meinung. Die Grundform des
Lichtschiffes war noch so, wie sie sein sollte, doch aus dem
rückwärtigen Ende trat ein wirres Durcheinander von bogen-
und fadenförmigen Strukturen aus. Es war, als hätte jemand
ein Uhrwerk mit all seinen Federn und Rädchen im Augenblick der
Explosion fotografiert.
»Wie wäre es mit einer Hypothese?«, fragte
Clavain.
»Sie wollte um jeden Preis einen Vorsprung herausholen, um
uns abzuhängen. Vielleicht hat sie dabei zu extremen Mitteln
gegriffen.«
»Extrem?«, fragte Xavier. Er hatte den Arm um
Antoinettes Taille gelegt. Beide waren sie mit Maschinenöl
verschmiert.
»Über die Trägheitsunterdrückung verfügte
sie bereits«, sagte Remontoire. »Aber ich glaube, sie ging
noch weiter – sie könnte die Anlage umgebaut haben, um sie
in einen anderen Zustand zu überführen.«
»Nämlich?«, fragte Xavier.
Auch Clavain sah Remontoire fragend an.
»Die Technologie«, sagte Remontoire,
»unterdrückt die träge Masse – Skade sprach von
einem Feld im Zustand Zwei –, aber sie beseitigt sie nicht
völlig. In einem Feld im Zustand Drei wird dagegen die
träge Masse auf Null verringert. Die Materie wird photonisch und
kann sich nur noch mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen. Die
Zeitdilatation wird unendlich, und damit muss das Schiff bis zum Ende
der Zeiten im photonischen Zustand verharren.«
Clavain nickte seinem Freund zu. Remontoire schien es nichts
auszumachen, das Exoskelett zu tragen, obwohl es wie ein
Fesselungssystem funktionierte und ihn jederzeit
bewegungsunfähig machen konnte, sollte Clavain entscheiden, dass
ihm nicht zu trauen war.
»Und was ist Zustand Vier?«, fragte Clavain.
»Vielleicht der sinnvollere Weg«, erwiderte Remontoire
und nickte. »Wenn sie sich durch Zustand Drei tunneln, ihn
einfach überspringen könnte, wäre ein glatter
Übergang in ein Feld im Zustand Vier möglich. In diesem
Feld würde das Schiff in einen tachyonischen Massenzustand
überführt und könnte nur noch mit
Überlichtgeschwindigkeit fliegen.«
»Und das hat Skade versucht?«, fragte Xavier
ehrfürchtig.
»Eine bessere Erklärung fällt mir nicht ein«,
sagte Remontoire.
»Und was könnte dabei schief gegangen sein?«,
fragte Antoinette.
»Das Feld ist instabil geworden«, antwortete Pauline
Sukhoi. Ihr blasses zerquältes Gesichte spiegelte sich im
Projektionstank. Sie sprach langsam und mit großem Ernst.
»Verglichen mit der Eindämmung einer Blase aus
veränderter Raumzeit ist die Fusionskontrolle ein Kinderspiel.
Ich vermute, dass Skade zuerst eine mikroskopisch kleine Blase
geschaffen hat, wahrscheinlich subatomar, aber sicher nicht
größer als eine Bakterie. In diesem Stadium wäre sie
trügerisch einfach zu manipulieren. Sehen Sie diese Sicheln und
Arme?« Sie wies mit einem Nicken zu dem Bild hin. Es hatte sich
leicht gedreht, seit es zum ersten Mal erschienen war. »Das
waren wohl ihre Feldgeneratoren und Kontrollsysteme. Sie sollten das
Feld in stabilem Zustand so weit expandieren lassen, bis es das ganze
Schiff umfing. Eine bei Lichtgeschwindigkeit expandierende Blase
würde weniger als eine halbe Millisekunde brauchen, um ein
Schiff von der Größe der Nachtschatten zu
verschlingen, aber verändertes Vakuum expandiert wie gedehnte
Raumzeit mit Überlichtgeschwindigkeit. Eine Blase im Zustand
Vier hätte eine typische Verdopplungszeit in der
Größenordnung von zehn hoch minus dreiundvierzig Sekunden.
Da bleibt nicht viel Zeit zum Reagieren, wenn etwa falsch
läuft.«
»Und wenn die Blase weiter wüchse…«, fragte
Antoinette.
»Das würde sie nicht tun«, sagte Sukhoi.
»Jedenfalls würden wir es niemals erfahren. Niemand
würde es erfahren.«
»Dann kann Skade von Glück reden, dass sie
überhaupt noch ein Schiff hat«, bemerkte Xavier.
Sukhoi nickte. »Es muss ein kleiner Unfall gewesen sein,
wahrscheinlich während des Übergangs von einem Zustand in
den anderen. Vielleicht ist sie in Zustand Drei eingetreten, und
dabei wurde ein kleiner Teil ihres Schiffes in Licht umgewandelt.
Eine begrenzte photo-leptonische Explosion.«
»Sieht so aus, als könnte man darin
überleben«, sagte Scorpio.
»Gibt es Lebenszeichen?«, fragte Antoinette.
Clavain schüttelte den Kopf,
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