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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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sichtbar
geworden wäre. Die Sterne waren durch relativistische Effekte in
Position und Farbe verschoben, schienen aber trotz des hohen
Tau-Faktors noch fest am Himmel zu stehen. Hätte die Flugbahn
dicht vor einem leuchtenden Himmelskörper wie etwa einem Stern
vorbeigeführt, dann hätten sie ihn vielleicht, durch die
Lorentz-Fitzgerald-Kontraktion zusammengedrückt, durch die Nacht
schwingen sehen. Doch um ihn wirklich in rasender Bewegung zu
erleben, hätten sie seine Atmosphäre fast streifen
müssen. Auch die Abgasfackel eines anderen Schiffs, das nach
Yellowstone zurückflog, wäre ein möglicher
Anhaltspunkt gewesen, aber sie hatten den Korridor für sich
allein. Und obwohl die Rümpfe beider Schiffe durch die langsame,
aber stetige Reibung interstellaren Wasserstoffs und mikroskopisch
kleiner Staubkörnchen infrarotnah leuchteten, konnte Clavain
diese Erscheinung nicht in ein Gefühl für Geschwindigkeit
umsetzen. Er war sich bewusst, dass diese Kollisionen auch für
das Shuttle ein Problem waren, obwohl sein wesentlich kleinerer
Querschnitt sie weniger wahrscheinlich machte. Kosmische Strahlen,
durch die Bewegung relativistisch beschleunigt, fraßen sich
jedoch mit jeder Sekunde tiefer hinein. Deshalb war das Flugdeck mit
einer Panzerung geschützt.
    Die Zeit verging schnell, vielleicht weil Clavain Angst davor
hatte, was er bei seiner Ankunft vorfinden würde. Die drei waren
über weite Strecken ohne Bewusstsein, um Anzugenergie zu sparen.
Außerdem wussten sie ja, dass sie realistisch betrachtet gegen
einen Angriff von Skade ohnehin nichts tun konnten.
    Als Clavain und seine Gefährten wieder zu sich kamen, hatten
sie sich dem beschädigten Lichtschiff auf Sichtweite
genähert.
    Das Schiff war natürlich dunkel – sie waren hier tief im
interstellaren Raum. Clavain konnte es nur deshalb sehen, weil die Zodiakallicht einen ihrer optischen Laser auf ihren Rumpf
gerichtet hielt. Zwar konnte er nicht alle Einzelheiten erkennen,
aber was er sah, genügte, um ihn das Fürchten zu lehren.
Die Nachtschatten schwebte so abweisend vor ihm wie eine
gotische Kathedrale im Mondlicht. Das Shuttle warf ein Netz von
beweglichen Schatten über das größere Schiff, so dass
es aussah, als winde es sich in Schmerzen.
    Die seltsamen Anhängsel wirkten aus der Nähe noch
unheimlicher. Ihre Komplexität, aber auch das Ausmaß, in
dem sie verbogen und zerstückelt waren, wurde erst jetzt
vollends deutlich. Dennoch hatte Skade noch unglaubliches Glück
gehabt, denn der Schaden beschränkte sich weitgehend auf den
Teil des Schiffes, der sich zum Heck hin verjüngte. Die
Synthetiker-Triebwerke zu beiden Seiten des thoraxförmigen
Rumpfs waren kaum in Mitleidenschaft gezogen worden. Clavain steuerte
das Shuttle näher heran. Ein Angriff, so sagte er sich,
hätte bereits erfolgen müssen. Behutsam manövrierte er
die Skelettkonstruktion zwischen die Stacheln, Bögen und
Schlingen des zerstörten Überlichtantriebs.
    »Skade kannte kein Maß mehr«, erklärte er
seinen Gefährten. »Sie muss gewusst haben, dass wir
Resurgam keinesfalls vor ihr erreichen konnten, aber das war ihr
nicht genug. Sie wollte uns um Jahre voraus sein.«
    »Sie hatte die Mittel, Clavain«, bemerkte Scorpio.
»Warum wundern Sie sich, dass sie sie auch eingesetzt
hat?«
    »Seine Verwunderung ist berechtigt«, schaltete
Remontoire sich ein, bevor Clavain antworten konnte. »Skade
wusste genau, wie riskant es war, mit dem Übergang in Zustand
Vier herumzuspielen. Als ich sie danach fragte, bestritt sie
jegliches Interesse, aber ich hatte schon damals den Eindruck, dass
sie mir nicht die Wahrheit sagte. Sie musste die Gefahren bereits bei
ihren eigenen Experimenten erkannt haben.«
    »Eines steht jedenfalls fest«, sagte Scorpio. »Sie
wollte diese Geschütze um jeden Preis haben, Clavain. Sie
müssen ihr verdammt viel bedeuten.«
    Clavain nickte. »Wobei ich glaube, dass wir es gar nicht
wirklich mit Skade zu tun haben, sondern mit der Instanz, die im
Château von ihr Besitz ergriffen hat. Eigentlich wollte die
Mademoiselle diese Waffen, sie hat den Wunsch lediglich in Skades
Bewusstsein übertragen.«
    »Diese Mademoiselle finde ich ungemein interessant«,
sagte Remontoire. Man hatte ihm einiges von den Ereignissen in Chasm
City erzählt. »Ich hätte sie gerne kennen
gelernt.«
    »Zu spät«, sagte Scorpio. »H hatte ihren
Leichnam in einer Kiste – hat Ihnen das Clavain nicht
erzählt?«
    »Er hatte etwas in einer Kiste«, gab Remontoire
ungeduldig zurück.

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