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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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zerfressenen,
grotesken Karikatur eines Raumschiffs geworden. Clavain konnte nur
vermuten, dass die Schmelzseuche etwas damit zu tun hatte.
Transformationen, die sich auch nur annähernd mit diesem Anblick
messen konnten, hatte er bisher erst einmal gesehen: die phantastisch
verformte Architektur von Chasm City. Er hatte von Schiffen
gehört, die mit der Seuche infiziert worden waren, und er hatte
gehört, dass die Seuche manchmal auch die Reparatur- und
Umgestaltungssysteme befiel, die es den Schiffen ermöglichten,
sich weiter zu entwickeln, aber er hatte nie gehört, dass ein
Raumschiff so völlig entartet wäre und dennoch, so
weit man das sagen konnte, seine Funktion weiter erfüllte. Schon
der Anblick verursachte ihm eine Gänsehaut. Er konnte nur
hoffen, dass diese Transformationen keine Lebewesen erfasst
hatten.
    Die Kampfzone umfasste die zehn Lichtsekunden zwischen der Zodiakallicht und dem anderen Schiff, doch wo der Brennpunkt
lag, würde Volyova bestimmen. Clavain war mit dem Schauplatz
durchaus zufrieden. Aus militärischer Sicht kam es weniger auf
das Raumvolumen an als darauf, wie lange die jeweiligen Raumschiffe
und Waffensysteme brauchten, um es zu durchqueren.
    Bei drei Ge ließ sich die Kampfzone in vier Stunden
durchmessen. Die schnellsten Schiffe der Flotte konnten es in etwas
mehr als zwei Stunden schaffen. Eine hyperschnelle Rakete brauchte
weniger als vierzig Minuten. Clavain hatte bereits seine Erinnerungen
an frühere Feldzüge durchforstet und nach taktischen
Parallelen gesucht. Die Schlacht um England – ein fast
vergessener Luftkampf mit Unterschallflugzeugen mit
Verbrennungsmotoren in einem der frühen transnationalen Kriege
– hatte, was die Durchquerungszeiten anging, unter
vergleichbaren räumlichen Verhältnissen stattgefunden,
wobei freilich das dreidimensionale Element eine weitaus geringere
Rolle gespielt hatte. Die ersten globalen Kriege des
einundzwanzigsten Jahrhunderts waren weniger relevant; sub-orbitale
Wellenreiter-Drohnen hatten jeden Punkt auf dem Planeten in
höchstens vierzig Minuten erreichen und zerstören
können. Dafür wurde er in den interplanetaren Kriegen der
zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts fündig. Clavain nahm
sich die Unabhängigkeitskriege zwischen Erde und Mond oder die
Schlacht um den Merkur vor und ging Siege und Niederlagen und die
jeweiligen Gründe dafür durch. Auch den Mars und die
Schlacht gegen die Synthetiker am Ende des zweiundzwanzigsten
Jahrhunderts bezog er mit ein. Damals hatte die Kampfzone bis weit
über die Umlaufbahnen von Phobos und Deimos hinausgereicht, so
dass die effektive Durchquerungszeit für die schnellsten
Ein-Mann-Schiffe drei bis vier Stunden betrug. Außerdem hatte
es Probleme mit dem Zeitunterschied gegeben, denn die optische
Datenübertragung wurde durch riesige Wolken aus Silberflitter
behindert.
    So viele Schlachten, so viele Kriege. Er brauchte sie sich nicht
alle ins Gedächtnis zu rufen. Die wichtigen Punkte waren bereits
präsent. Er kannte die Fehler der Gegner, und er wusste auch, wo
er selbst versagt hatte. Allzu grobe Missgriffe hatte er sich nicht
erlaubt, dachte er, sonst stünde er jetzt nicht hier. Aber jede
Lektion hatte ihren Wert.
    Ein Lichtreflex glitt über das Glas der Kuppel.
    »Clavain?«
    Er fuhr herum. Sein Exoskelett schwirrte. Er hatte bis jetzt
geglaubt, allein zu sein.
    »Felka…«, sagte er überrascht.
    »Ich will auch zusehen«, sagte sie.
    Ihr Exoskelett trug sie mit steifen Marschtritten auf ihn zu, als
würde sie von einer unsichtbaren Eskorte begleitet. Gemeinsam
beobachteten sie, wie die letzten Reste des Geschwaders ins All
stürzten.
    »Wenn man nicht wüsste, dass es Krieg
bedeutet…«, begann er.
    »… könnte es fast schön sein«, vollendete
sie. »Ja. Das finde ich auch.«
    »Ich habe doch hoffentlich richtig entschieden?«, fragte
Clavain.
    »Warum fragst du das mich?«
    »Weil du das einzige Gewissen bist, das mir geblieben ist,
Felka. Ich stelle mir andauernd vor, was Galiana tun würde,
wäre sie jetzt hier…«
    Felka unterbrach ihn. »Sie würde sich Sorgen machen,
genau wie du. Die Menschen, die sich keine Sorgen machen – die
niemals Zweifel daran haben, dass sie gut und richtig handeln –,
das sind diejenigen, die Probleme bereiten. Menschen wie
Skade.«
    Er musste an den grellen Blitz bei der Zerstörung der Nachtschatten denken. »Ich bedauere, was geschehen
ist.«
    »Ich hatte dir dazu geraten, Clavain. Ich weiß, dass es
Galianas Wunsch gewesen

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