Die Arche
Resurgam
möglichst schnell so umzuwandeln, dass sie für Menschen
atembar wurde. Mehrere Jahrzehnte lang hatten die Maschinen zur
Atmosphäretransformation einwandfrei funktioniert, doch jetzt
wurden sie alt und unzuverlässig. Ihre Instandhaltung bedeutete
für die zentral gesteuerte Wirtschaft des Planeten eine
große Belastung. Gemeinden wie Solnhofen lebten mehr schlecht
als recht davon, die Anlagen zu betreiben und zu warten, aber die
Arbeit war hart und gefährlich und verlangte, ja forderte eine
ganz bestimmte Sorte von Menschen.
Das rief sich die Inquisitorin in Erinnerung, als sie eins der
Hotels betrat. Sie hatte erwartet, dass um diese Tageszeit wenig
Betrieb herrschte, doch als sie die Tür aufstieß, schien
eine Party in vollem Gang zu sein. Musik, Stimmengewirr und raues,
grölendes Gelächter schlugen ihr entgegen. Sie fühlte
sich in eine Kaserne auf Sky’s Edge zurückversetzt. Einige
Gäste waren bereits betrunken und kauerten über ihren
Krügen wie Schüler über ihren Hausaufgaben. Die Luft
war so gesättigt mit chemischen Dämpfen, dass ihr die Augen
brannten. Sie ertrug den Lärm mit zusammengebissenen Zähnen
und fluchte leise. Typisch Nummer Vier, sich eine solche Spelunke
auszusuchen. Zu ihrem allerersten Treffen auf einem Karussell um
Yellowstone hatte Vier sie damals ebenfalls in eine Bar bestellt, die
wahrscheinlich übelste Kaschemme, die sie je betreten hatte.
Vier hatte viele Talente, aber einen halbwegs anständigen
Treffpunkt auszuwählen, verstand sie nicht.
Zum Glück hatte niemand das Eintreten der Inquisitorin
bemerkt. Sie drängte sich an einigen Alkoholleichen vorbei an
die so genannte Theke: ein stümperhaft aus der Wand
herausgehauenes Loch, umgeben von rohem Mauerwerk. Eine
mürrische Frau schob die Getränke wie
Gefängnisrationen über den Tresen und riss mit fast schon
unanständiger Hast Geld und leere Gläser an sich.
»Ich möchte einen Kaffee«, sagte die
Inquisitorin.
»Kaffee gibt es nicht.«
»Verdammt, dann will ich das, was einem Kaffee am
nächsten kommt.«
»Sie sollten so nicht reden.«
»Ich rede, wie es mir passt, verdammt noch mal. Besonders so
lange, bis ich meinen Kaffee kriege.« Sie beugte sich über
die Plastiktheke. »Sie können mir doch einen verschaffen,
wenn Sie wollen? Oder verlange ich etwas Unmögliches?«
»Sind Sie von der Regierung?«
»Nein, ich habe nur Durst. Und ich bin nicht besonders gut
gelaunt. Es ist nämlich noch früh am Morgen, und am Morgen
ist mit mir nichts anzufangen.«
Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Sie fuhr herum und tastete
instinktiv nach der Boser-Pistole.
»Muss du schon wieder Ärger machen, Ana?«, fragte
eine Frauenstimme hinter ihr.
Die Inquisitorin blinzelte. Seit sie Cuvier verlassen hatte, hatte
sie sich dieses Wiedersehen immer wieder ausgemalt, dennoch kam es
ihr jetzt irreal und melodramatisch vor. Triumvir Ilia Volyova nickte
der Frau hinter der Theke zu.
»Das ist eine Freundin von mir. Sie will einen Kaffee. Ich
schlage vor, Sie bringen ihr einen.«
Die Bedienung kniff die Augen zusammen, brummte etwas vor sich hin
und verschwand. Wenig später kam sie mit einer Tasse
zurück, deren Inhalt aussah, als hätte man ihn soeben aus
dem Achsenlager eines Sattelschleppers abgelassen.
»Ich würde zugreifen, Ana«, empfahl Volyova.
»Was Besseres kriegst du nicht.«
Die Inquisitorin nahm den Kaffee mit leicht zitternder Hand
entgegen. »Du solltest mich nicht so nennen«,
flüsterte sie.
Volyova dirigierte sie an einen Tisch. »Wie soll ich dich
nicht nennen?«
»Ana.«
»Aber so heißt du doch.«
»Nicht mehr, nein. Nicht hier und auch nicht jetzt.«
Der Tisch, den Volyova gefunden hatte, stand halb versteckt hinter
mehreren Bierkastenstapeln in einer Ecke. Volyova fuhr mit dem
Ärmel über die Platte und fegte die Abfälle auf den
Boden. Dann setzte sie sich, stützte beide Ellbogen auf und
verschränkte die Finger unter dem Kinn. »Ich halte es nicht
für sehr wahrscheinlich, dass jemand dich erkennt, Ana. Mich hat
niemand eines zweiten Blickes gewürdigt, und dabei bin ich,
möglicherweise mit Ausnahme von Thorn, die meistgesuchte Person
auf diesem Planeten.«
Die Inquisitorin, die sich einst Ana Khouri genannt hatte, nippte
vorsichtig an dem sirupzähen Gebräu, das man hier als
Kaffee bezeichnete. »Das liegt daran, dass jemand in deinem Fall
sehr geschickt mit Falschinformationen operiert, Ilia…« Sie
hielt inne und sah sich um, doch dabei wurde ihr bewusst, wie sehr
sie
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