Die Arche
die Glaswand. »Und wenn du Licht
machst, würde es ruiniert?«
»Nein, aber dann könnte ich die Mäuse nicht mehr
sehen.«
»Das wohl nicht«, sagte Remontoire bedächtig.
»Ich habe Clavain mitgebracht. Er wird gleich da sein.«
»Oh.« Hektisch zündete sie eine der Laternen an.
Sie flackerte zunächst und brannte dann mit ruhiger
türkisgrüner Flamme.
Felka beobachtete Remontoire und bemühte sich, seinen
Gesichtsausdruck zu deuten. Obwohl sie ihn jetzt erkannte, bekam sie
kein klares Bild. Seine Mimik blieb verschwommen,
missverständlich, unruhig. Selbst um in ganz alltäglichen
Gesichtern zu lesen, musste sie ihre ganze Willenskraft
zusammennehmen. Es war, als sollte sie in einer Gruppe schwacher
Sterne einzelne Konstellationen unterscheiden. Andererseits gelang es
ihrer ungewöhnlichen Neuralmaschinerie hin und wieder, Muster zu
erfassen, die anderen nie aufgefallen wären. Aber im Allgemeinen
konnte sie sich nicht darauf verlassen, ein Gesicht richtig zu
beurteilen.
Unter diesem Vorbehalt musterte sie nun Remontoire und kam zu der
vorläufigen Einschätzung, er wirke besorgt. »Warum ist
er nicht gleich mitgekommen?«
»Er wollte uns Zeit geben, über Angelegenheiten des
Inneren Konzils zu sprechen.«
»Weiß er, was heute im Ratssaal vorgefallen
ist?«
»Nein.«
Felka schwebte an den oberen Rand des Labyrinths und ließ in
der Hoffnung, eine Blockade im linken unteren Quadranten
aufzulösen, eine weitere Maus in den Eingang fallen. »Und
dabei wird es auch bleiben, solange sich Clavain nicht zum Beitritt
entschließt. Wobei er wohl auch dann enttäuscht wäre,
wenn er sähe, wie viel man ihm vorenthielte.«
»Ich kann verstehen, warum du nicht willst, dass er von
Exordium erfährt«, sagte Remontoire.
»Was willst du damit sagen?«
»Du hast dich über Galianas Wünsche hinweggesetzt,
nicht wahr? Sie hatte nach allem, was sie auf dem Mars entdeckt
hatte, das Experiment abgebrochen. Aber nachdem du aus dem All
zurückgekehrt warst – während sie noch draußen
blieb –, hast du begeistert mitgemacht.«
»Du bist ja mit einem Mal sehr gut informiert,
Remontoire.«
»Es findet sich alles in den Archiven des Mutternests, wenn
man weiß, wo man zu suchen hat. Die Tatsache, dass die
Experimente stattfanden, ist übrigens kein so großes
Geheimnis.« Remontoire hielt inne und beobachtete mit
mäßigem Interesse das Labyrinth. »Aber was im Rahmen
von Exordium tatsächlich geschah – der Grund, warum Galiana
die Versuche absetzte –, das ist ein anderer Fall. Von
Botschaften aus der Zukunft wird in den Archiven kein Wort
erwähnt. Was mag an diesen Botschaften so schrecklich gewesen
sein, dass man selbst ihre Existenz verschweigen musste?«
»Du bist genauso neugierig, wie ich es damals war.«
»Natürlich. Aber hast du dich nur aus Neugier über
Galianas Wünsche hinweggesetzt, Felka? Oder steckte noch mehr
dahinter? Auflehnung gegen die eigene Mutter vielleicht?«
Felka beherrschte ihren Zorn. »Sie war nicht meine Mutter,
Remontoire. Wir hatten nur gemeinsames genetisches Material. Und es
war auch keine Auflehnung. Ich war auf der Suche nach etwas, womit
ich mich beschäftigen konnte. Und bei Exordium ging es angeblich
um einen neuen Zustand des Bewusstseins.«
»Du wusstest also auch nichts von den Botschaften?«
»Ich hatte Gerüchte gehört, aber ich glaubte nicht
daran. Der einfachste Weg, um herauszufinden, was es damit auf sich
hatte, schien mir, selbst an den Experimenten teilzunehmen. Aber
nicht ich war es, die Exordium aus der Schublade geholt hat. Das
Programm war schon vor unserer Rückkehr wieder angelaufen. Skade
wollte, dass ich mich beteilige – wahrscheinlich versprach sie
sich durch meine besondere Bewusstseinsstruktur gewisse Fortschritte.
Aber ich spielte keine tragende Rolle und bin eigentlich gleich
wieder ausgestiegen.«
»Warum – weil es nicht so funktionierte, wie du gehofft
hattest?«
»Nein. Es funktionierte sehr gut. Aber es war grauenvoller
als alles, was ich jemals erlebt hatte.«
Remontoire lächelte, wurde aber gleich wieder ernst.
»Inwiefern?«
»Bis dahin hatte ich nicht an die Existenz des Bösen
geglaubt, Remontoire. Seither bin ich nicht mehr so sicher.«
»Das Böse?«, wiederholte er, als hätte er
nicht richtig verstanden.
»Ja«, sagte sie leise.
Seit er das Thema angesprochen hatte, waren ihr der Geruch, das
Aussehen des Exordium-Labors wieder so gegenwärtig, als
wäre es gestern gewesen. Dabei hatte sie sich so sehr
bemüht, nicht
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