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Die Arena

Titel: Die Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Laborantinnen. Am Catherine Russell herrschte jetzt akuter Personalmangel. Rusty war überzeugt, dass der kleine Dinsmore nur eine Anzahlung auf den Preis war, den die Stadt letzten Endes für diesen Mangel an Personal würde bezahlen müssen.
    Es kam noch schlimmer. Der Junge hatte die Blutgruppe A negativ, die in ihrem kleinen Vorrat fehlte. Sie hatten jedoch 0 negativ - das universale Spenderblut -, von dem Rory vier Beutel bekam, so dass neun Beutel übrig blieben. Die Transfusion lief vermutlich aufs Gleiche hinaus, als hätten sie das Blut im Waschraum in den Ausguss gekippt, aber das sagte keiner von ihnen. Während das Blut in seinen Körper lief, schickte Haskell Ginny in die Besenkammer hinunter, die hier als Fachbibliothek diente. Sie kam mit einem zerlesenen Exemplar von Neurochirurgie. Ein kurzer Überblick zurück. Haskell operierte mit dem Buch neben sich und hatte einen Ohrenspiegel darauf gelegt , um es offen zu halten. Rusty glaubte, er werde das alles nie vergessen: das Kreischen der Säge, den Geruch von Knochenmehl in der unnatürlich warmen Luft oder den Klumpen aus gerinnendem Blut, der hervorquoll, als Haskell die Knochenplatte herausnahm.
    Einige Minuten lang hatte Rusty tatsächlich zu hoffen gewagt.
    Als die Trepanationsöffnung den Druck des Hämatoms verrin gert hatte, hatte Rorys Zustand sich stabilisiert oder es zumindest versucht. Aber noch während Haskell festzustellen versuchte, ob der Metallsplitter für ihn erreichbar war, hatten sich im Nu sämtliche Werte wieder dramatisch verschlechtert.
    Rusty dachte an die Eltern, die draußen warteten und hofften, wo es keine Hoffnung mehr gab. Statt Rory beim Verlassen des OPs nach links zu schieben - zur Intensivstation des Cathy Russell, in die sich seine Eltern würden hineinschleichen dürfen, um ihn kurz zu sehen -, sah es jetzt so aus, als würde er Rory gleich nach rechts in Richtung Leichenraum schieben.
    »Unter normalen Umständen würde ich ihn am Leben erhalten und die Eltern um ihr Einverständnis zu einer Organspende bitten«, sagte Haskell. »Aber wären die Umstände normal, wäre er natürlich nicht hier. Und selbst wenn er hier wäre, würde ich nicht versuchen, ihn mit Hilfe eines ... eines ... gottverdammten Toyota-Handbuchs zu operieren.« Er griff nach dem Ohrenspiegel und warf ihn quer durch den OP . Das Instrument prallte gegen die hellgrünen Kacheln, dass von einer ein Stück absplitterte, und fiel scheppernd zu Boden.
    »Wollen Sie Adrenalin geben, Doktor?«, fragte Ginny. Ruhig, cool, beherrscht ... aber sie sah so müde aus, als könnte sie im nächsten Augenblick zusammenklappen.
    »Habe ich mich nicht klar ausgedrückt? Ich will die Agonie dieses Jungen nicht verlängern.« Haskell griff nach dem roten Kippschalter auf der Rückseite des Beatmungsgeräts. Irgendein Witzbold - vermutlich T witch - hatte dort einen kleinen Aufkleber angebracht, auf dem JIPPIE, GESCHAFFT! stand. »Sind Sie anderer Meinung, Rusty?«
    Rusty überlegte, dann schüttelte er bedächtig den Kopf. Der Babinski-Reflex hatte sich gezeigt, was auf schwere Gehirnschäden schließen ließ, aber das Entscheidende war, dass der Junge einfach keine Chance hatte. Nie wirklich eine gehabt hatte.
    Haskell betätigte den Kippschalter. Rory Dinsmore holte mühsam einmal selbst Luft, schien es ein weiteres Mal versuchen zu wollen und gab dann auf.
    »Wir haben jetzt ... « Haskell sah auf die große Wanduhr. »Siebzehn Uhr fünfzehn. Notieren Sie das bitte als Todeszeitpunkt, Ginny?«
    »Ja, Doktor.«
    Als Haskell die Maske herunterzog, stellte Rusty besorgt fest, dass die Lippen des Alten blau waren. »Kommt, ich muss hier raus«, sagte er. »Die Hitze bringt mich noch um.«
    Aber es war nicht die Hitze; sein Herz war daran schuld. Als er auf dem Korridor unterwegs war, um Alden und Shelley die schlimme Nachricht zu überbringen, brach er auf halber Strecke zusammen. Nun kam Rusty doch noch dazu, Adrenalin zu spritzen, aber es nutzte nichts. So wenig wie die Herzdruckmassage. Oder der Deflbrillator.
    Todeszeitpunkt: 17:49 Uhr. Ron Haskell hatte seinen letzten Patienten um genau vierunddreißig Minuten überlebt. Rusty blieb auf dem Fußboden sitzen und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Ginny hatte Rorys Eltern die traurige Nachricht überbracht; von der Stelle aus, wo Rusty mit in den Händen vergrabenem Gesicht dasaß, konnte er die Kummer- und Schmerzensschreie der Mutter hören. Ihre Stimme hallte weit durch das fast leere Krankenhaus. Sie

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