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Die Arena

Titel: Die Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Revival Time Hour auf WCIK, Gott liebt Sie, und er hat seinen Sohn entsandt, damit er auf dem Kalvarienberg für Sie am Kreuz stirbt. Es ist fünf vor halb zehn, und wie wir Sie immer gern erinnern, drängt die Zeit. Haben Sie Ihr Herz Gott geschenkt? Ich melde mich gleich wieder.«
    Norman Drake wurde durch einen redegewandten Teufel ersetzt, der die gesamte Bibel auf DVDs verkaufte, und das Beste daran war, dass man sie in bequemen Monatsraten bezahlen und anstandslos zurückgeben konnte, wenn man damit nicht glücklich war wie ein Schwein im Mist. Linda und Jackie gingen ans Fenster des Senderaums und sahen hinein. Weder Norman Drake noch der redegewandte Teufel waren dort drinnen, aber als die Werbeeinblendung zu Ende war und der DJ sich wieder meldete, um den nächsten Song zur Ehre Gottes anzukündigen, wurde ein grünes Licht rot, während ein rotes grün wurde. Als dann die Musik einsetzte, wurde ein weiteres rotes Licht grün.
    »Alles automatisch!«, sagte Jackie. »Der ganze verdammte Sender!«
    »Warum haben wir dann das Gefühl, dass jemand hier ist? Und sag bloß nicht, dass du's nicht hast.«
    Das tat Jackie nicht. »Weil das hier unheimlich ist. Der Kerl macht sogar Zeitansagen. Glaub mir, die Automatisierung muss ein Vermögen gekostet haben. Wirklich ein Geist in der Maschine ... wie lange wird der Sender wohl noch laufen?«
    »Vermutlich bis das Stromaggregat den Geist aufgibt, weil kein Propan mehr da ist.« Linda entdeckte eine weitere Tür und stieß sie mit dem Fuß auf, wie Jackie es getan hatte ... nur zog sie im Gegensatz zu Jackie ihre Pistole und hielt sie gesichert und mit nach unten zeigender Mündung neben ihrem Bein.
    Diese Tür führte in eine Toilette, die leer war. An der Wand hing jedoch ein Poster mit einem sehr kaukasisch aussehenden Jesus.
    »Ich bin nicht religiös«, sagte Jackie, »deshalb musst du mir erklären, weshalb Leute wollen, dass Jesus ihnen beim Kacken zusieht.«
    Linda schüttelte den Kopf. »Komm, wir verschwinden, bevor ich durchdrehe«, sagte sie. »Das hier ist die Radioland-Version der Mary Celeste.«
    Jackie sah sich unbehaglich um. »Nun, die Atmosphäre ist unheimlich, das gebe ich zu.« Sie erhob ihre Stimme plötzlich zu einem rauen Schreien, das Linda zusammenfahren ließ. Sie hätte Jackie am liebsten gebeten, nicht so zu schreien. Weil irgendwer sie hören und herkommen konnte. Oder irgend was.
    »He! Hallo! Irgendwer hier? Letzte Chance!« Nichts. Niemand.
    Im Freien atmete Linda tief durch. »Als Teenager bin ich mal mit Freunden nach Bar Harbor gefahren, und wir haben unterwegs an einem Aussichtsplatz gepicknickt. Wir waren ungefähr ein halbes Dutzend Leute. Das Wetter war so klar, dass man praktisch bis nach Irland sehen konnte. Als wir mit dem Essen fertig waren, wollte ich ein Foto machen. Meine Freunde haben rumgealbert und Arschgrapschen gespielt, und ich bin weiter und weiter zurückgetreten, um alle aufs Bild zu kriegen. Dann hat ein Mädchen - Arabella, damals meine beste Freundin - mitten im Versuch, einem anderen Mädchen am Slip zu ziehen, aufgehört und gekreischt: >Stopp, Linda, stopp!< Ich bin stehen geblieben und habe mich umgesehen. Weißt du, was ich gesehen habe?«
    Jackie schüttelte den Kopf.
    »Den Atlantik. Ich war rückwärts bis an den Felsabbruch am Rand des Rastplatzes gegangen. Es gab Warnschilder, aber keinen Zaun, kein Geländer. Ein Schritt weiter, dann wäre ich abgestürzt. Und genauso war mir eben da drin zumute.«
    »Linda, das Gebäude war leer.«
    »Das glaube ich nicht. Und ich denke, dass du das auch nicht glaubst.«
    »Es war unheimlich, klar. Aber wir haben die Räume kontrolliert ... «
    »Nicht den Senderaum. Außerdem ist der Fernseher gelaufen, und die Musik war zu laut. Du glaubst doch wohl nicht, dass die Musik immer so laut aufgedreht ist?«
    »Woher soll ich wissen, was diese Holy Roller tun?«, fragte Jackie. »Vielleicht erwarten sie die Apokalick.« »Lypse.«
    »Was auch immer. Willst du die Lagerhalle kontrollieren?« »Auf keinen Fall«, sagte Linda, und darüber musste Jackie schnaubend lachen.
    »Okay. Wir melden, dass der Rev nirgends zu finden war, korrekt?« »Korrekt.«
    »Dann geht's ab in die Stadt. Und zum Kaffee.«
    Bevor Linda auf den Beifahrersitz von Wagen zwei glitt, warf sie einen letzten Blick auf das Sendegebäude, das in lasche Audiofreuden gehüllt dastand. Andere Geräusche gab es hier nicht; ihr fiel auf, dass sie keinen einzigen Vogel singen hörte, und sie fragte sich, ob

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