Die Ares Entscheidung
Kinder lagen in den Betten, die vor der Wand aufgereiht waren. Einige waren mit Videospielen beschäftigt und sahen aus, als dürften sie bald nach Hause, während andere noch Mühe hatten, aufrecht zu sitzen.
»Guten Morgen, Colonel Smith«, grüßten sie im Chor, so wie man es ihnen beigebracht hatte.
Er setzte sich auf einen Rollschemel und stieß sich vom Boden ab, sodass er direkt zum Bett eines jungen Mädchens glitt, das gerade in die fünfte Klasse gekommen war. »Ich hab gehört, dir geht’s schon wieder prächtig, Tina.«
Sie hustete und bemühte sich sichtlich, es besser klingen zu lassen, als es war. »Ich fühle mich schon viel besser als gestern.«
»Das freut mich sehr«, sagte er, dann streifte er Handschuhe über und überprüfte ihre Lymphknoten.
In einer kleinen Stadt aufzuwachsen, wo jeder jeden kannte, konnte etwas Wunderbares sein, aber so wie alles im Leben hatte es auch seine Nachteile. So gab es zufällig in dieser Stadt eine sehr charismatische Frau, die davon überzeugt war, dass der Autismus ihres Sohnes von Impfungen verursacht worden war. Seither führte sie eine erschreckend erfolgreiche Kampagne gegen das Impfen und versuchte alle, die sie kannte, dazu zu bewegen, ihre Kinder nicht mehr impfen zu lassen.
Der erste Masernfall war vor einem Monat aufgetreten – ein sechsjähriger Junge, der auf einer Ranch im Norden wohnte; er hatte auch seine Klassenkameraden in der einzigen Schule des Städtchens angesteckt. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Krankheit ausbreitete, überraschte alle; es lag wohl vor allem daran, dass die Impfrate nicht mehr hoch genug war, um die sogenannte Herdenimmunität zu sichern und eine Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.
Als ein kleines Mädchen an Komplikationen im Verlauf der Krankheit starb, wandten sich die überforderten Ärzte in ihrer Verzweiflung an die Regierung und die Centers for Disease Control. Die Nachricht gelangte schließlich bis Fort Detrick, wo Smith als Army-Spezialist für Infektionskrankheiten tätig war. Es war schon viel zu lange her, dass er selbst am Krankenbett eines Patienten gestanden hatte, und so erklärte er sich sofort bereit, sich der Sache anzunehmen.
»Wie fühlt sich mein Hals an?«, fragte Tina und sah ihn hoffnungsvoll an.
»Sehr gut. Bald bist du wieder auf den Beinen.«
»Wirklich?«
»Ich schwör’s.«
Sein Handy klingelte, und er griff in seine Tasche, um nach der Nummer des Anrufers zu sehen. Mit einem Stirnrunzeln blickte er auf das winzige Verschlüsselungssymbol, das auf dem Display erschien.
»Wer ist es denn?«, wollte Tina wissen.
»Meine Mom«, log Smith, ohne zu zögern – eine Fähigkeit, die er sich in seiner Zeit beim Geheimdienst angeeignet hatte. »Und seine Mom kann man nicht warten lassen, stimmt’s?«
Kapitel sieben
NORDUGANDA
12. November, 18:53 Uhr GMT+3
Lieutenant Craig Rivera warf sein leeres Gewehr weg und riss eine Pistole aus dem Hüftholster, ohne auch nur eine Spur langsamer zu werden. Er stolperte beinahe über ein paar lose Gesteinsbrocken und riskierte einen raschen Blick über die Schulter zurück, als er das Gleichgewicht wiederfand. Es waren immer noch vier Leute hinter ihm, und sie holten rasch auf. Das junge Mädchen, das ihm aus purer Angst gefolgt war, schien nun nicht mehr mit ihm Schritt halten zu können. Die Erschöpfung war offenbar stärker als das Adrenalin, das sie antrieb.
Er jagte einem Mann mit einem blutbefleckten Manchester-United-Trikot eine Kugel in die Brust, hob das geschwächte Mädchen auf und versuchte noch mehr aus seinen müden Beinen herauszuholen.
Die unbegreifliche Wahrheit war jedoch, dass die Leute, die ihn verfolgten, schneller waren als er an seinem besten Tag. Und mit dem zusätzlichen Gewicht des Mädchens war es nur noch eine Frage von Sekunden, bis sie ihn eingeholt hatten. Rivera schlug einen Haken nach rechts in ein Gebüsch mit Blättern so groß wie Elefantenohren, in der Hoffnung, es seinen Verfolgern im dichten Gestrüpp schwerer zu machen.
Die nassen Blätter schlugen schmerzhaft gegen sein Gesicht, nahmen ihm die Sicht und drohten ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, als sich das Mädchen in seinen
Armen zu winden begann. Sie waren nur noch wenige Schritte hinter ihm. Er würde es nicht schaffen.
Rivera spürte eine Hand in seinem Nacken, und dann wich die Dunkelheit des Regenwalds dem strahlend hellen Sonnenlicht. Das Geräusch seiner Schritte und das seiner Verfolger verstummte jäh, und er
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