Die Ares Entscheidung
Unterstützung unter den jungen Leuten und den Intellektuellen hat. Und ohne diese beiden Gruppen ist der Bau einer Atombombe kaum möglich.«
»Farrokh hingegen hat die Unterstützung der Jungen und der Intellektuellen.«
»Ja, Sir. Wir wissen noch nicht viel über ihn, aber eins steht fest: Er ist ein Genie, was moderne Technologie betrifft – vor allem Handys und Internet. Wie er historische Videos und Musik von alternativen Künstlern im Nahen und Mittleren Osten einsetzt, um Unterstützung für seine Sache zu mobilisieren – da könnten westliche Wahlkampfberater noch eine Menge lernen. Entscheidend für uns ist aber, dass seine Botschaft nicht prowestlich ist. Er will zwar Veränderung, ist aber im Grunde ein Nationalist.«
»Aber er will immerhin demokratische Verhältnisse – und Sie können doch nicht behaupten, dass eine Demokratie schlimmer sein kann als das, was wir jetzt haben.«
Drake antwortete nicht sofort, und Castilla wartete. Als er ins Weiße Haus eingezogen war, hatte er eines von Anfang an klargestellt: Er erwartete von jedem, der zu ihm ins Oval Office kam, dass er ganz offen seine Meinung sagte. Wer seinen Job behalten wollte, lieferte ihm am besten keine geschönten Informationen, die den Präsidenten in der Öffentlichkeit in eine peinliche Lage bringen konnten.
»Sir, Fundamentalisten sind rückwärtsgewandte Leute, die man gegeneinander ausspielen kann, die man isolieren und bestechen kann. Farrokh ist anders. Mit ihm könnte der Iran schnell über die technischen Möglichkeiten verfügen, um eine Atommacht zu werden. Das ist nicht alles. Bis jetzt hat Khamenei wenig Erfolg damit gehabt, die Instabilität der Region auszunutzen, um den Einfluss des Iran auszudehnen. Die Leute trauen den Iranern nicht, und den Sunniten wäre es sowieso ein Dorn im Auge, wenn die Schiiten ihre Macht vergrößern würden. Farrokh wird von den Leuten, die Veränderung wollen, als viel weniger polarisierend gesehen – und ich meine hier nicht nur Liberale und Progressive. Es besteht durchaus die Gefahr, dass der Nahe und Mittlere Osten sich unter ihm zu einem Block zusammenschließen könnte, der dem ehemaligen Ostblock nicht unähnlich wäre. Mit dem Unterschied, dass sie über eine viel effektivere Waffe verfügen würden …«
»Öl.«
»Ja, Sir.«
Castilla lehnte sich zurück und ließ sich tiefer in das Ledersofa sinken.
Farrokh war ein Phantom. Es gab in Geheimdienstkreisen sogar viele, die nicht einmal glaubten, dass es ihn wirklich gab; sie hielten ihn für eine fiktive Integrationsfigur – erfunden von den Strippenziehern im iranischen Widerstand. Als Politprofi
wusste Castilla jedoch, dass ein solches Konstrukt nie ausreichen würde, um nach der Macht zu greifen. Dazu brauchte es immer reale Persönlichkeiten. Wer immer dieser Farrokh war, er tat offenbar alles, um an die Macht zu kommen.
Castilla wusste, dass die Lage in der Region noch um einiges brisanter war, als es der Weltöffentlichkeit bewusst war. Die Iraner finanzierten jede Gruppe, die ihnen sympathisch oder gegen die USA eingestellt war; die Israelis würden im Ernstfall nicht zögern, die Bombe einzusetzen; und die wenigen stabilen islamischen Regierungen versuchten insgeheim, die USA zum militärischen Eingreifen zu bewegen. Bei einem tatsächlichen militärischen Eingriff der USA gegen den Iran würden dieselben Regierungen höchstens leise Danke sagen, in der Öffentlichkeit jedoch den christlichen Invasoren den Dschihad erklären.
»Sie meinen also – besser, man bleibt bei dem Teufel, den man kennt, nicht wahr?«, sagte Castilla schließlich.
»Ich denke, eine Machtübernahme durch Farrokh könnte sich tatsächlich sehr negativ auf unsere Interessen auswirken. Und so gesehen, würde ich sagen …«
Castilla hob abwehrend die Hand. »Das haben wir schon diskutiert, Larry. Ich werde ein Land nicht im finsteren Mittelalter lassen, nur weil es da ein paar Unsicherheitsfaktoren gibt. Veränderung kann etwas verdammt Gefährliches sein, aber es stecken immer auch große Chancen darin. Wenn wir von vornherein auf die Möglichkeit verzichten, eine vernünftige Beziehung zu einem demokratischen Iran aufzubauen, und die katastrophale aktuelle Situation unterstützen, dann wäre das einfach zu zynisch und destruktiv für meinen Geschmack.«
»Könnte man es nicht auch realistisch nennen, Mr. President?«
Castilla faltete die Hände über dem Bauch, der seinen Umfang je nachdem, wie groß sein Stress gerade war,
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