Die Ares Entscheidung
empfand.
Umso größer war sein Schreck, als er hochgehoben und gegen die Wand geschleudert wurde. De Vries krallte mit den Fingern nach seinen Augen, während der Mann einen Arm hochriss und sich an der Wand abstützte, um den Angreifer zurückzustoßen.
Das gab ihm den Raum, den er brauchte, um den Fuß hochzureißen und De Vries einen Tritt zu verpassen, der ihn auf dem glatten Boden zurückschlittern ließ. Er blieb jedoch auf den Beinen und stürmte erneut auf den Mann los – und diesmal warf er ihn zu Boden.
De Vries war nun nicht mehr aufzuhalten; er prügelte mit einer solchen Vehemenz auf den Mann ein, dass dieser sich kaum noch wehren konnte. Nach einer Weile ging die
Fahrstuhltür auf und ein Mann in einem Schutzanzug trat heraus.
De Vries ließ von seinem Opfer ab, das schon am Rande der Bewusstlosigkeit war, und stürmte auf den Neuankömmling zu, ehe ein Schuss aufblitzte und ihn stoppte. Er ging zu Boden, schlug wild mit den Armen um sich, vermochte aber nicht mehr auf die Beine zu kommen.
Einige der Anwesenden stießen einen erschrockenen Laut aus, als noch ein Schuss krachte und den alten Mann mitten in die Brust traf. Schwer zu sagen, was größeres Entsetzen in ihnen auslöste – die Schüsse auf den wehrlosen Mann oder die Tatsache, dass De Vries immer wieder aufzustehen versuchte, bis das Magazin der Waffe leer war.
Rauch wirbelte durch den Raum, während De Vries’ Leiche zum Aufzug geschleppt wurde und der Mann am Boden auf die Glaswand zugekrochen kam. Seine rechte Wange war vom Mund bis zum Ohr aufgeschlitzt, und seine Nase war bis zum Knorpel aufgerissen. Mit einem stummen Flehen blickte er zu den Leuten herüber, die ihn aus der Sicherheit des Konferenzsaales beobachteten.
Sarie schluckte schwer und unterdrückte ihren Drang, sich zu übergeben.
»Ein Sträfling aus einem unserer Gefängnisse«, erklärte Omidi. »Wegen Vergewaltigung und Mord zum Tode verurteilt. Es wäre Zeitverschwendung, ihn zu bemitleiden. Sie sollten Ihre Zeit produktiver nutzen.«
Sarie hatte in ihrem Leben schon vielen Gefahren ins Auge geblickt, sowohl auf der Farm ihres Vaters wie auch später in ihrem Haus in der Nähe von Kapstadt. Doch es waren Gefahren, die sie kannte und mit denen sie umgehen konnte.
Das hier war etwas anderes. Sie sah keinen Himmel über
sich, sie hatte kein abgenutztes Gewehr in der Hand – da war überhaupt nichts, was ihr vertraut war. Und sie hatte es nicht mit der Malaria zu tun, nicht mit einer Schlange oder mit einer Bande von gewalttätigen Männern. Nein, sie würde sich selbst verlieren, ihre Identität, und schließlich in einem Glaskäfig verbluten, während Omidis Leute sich Notizen machten.
Sie zwang sich, langsam und gleichmäßig zu atmen, so wie es die Psychologin ihr als Kind beigebracht hatte, und tatsächlich fühlte sie sich ein wenig ruhiger. Sie würde es nicht zulassen, dass Omidi mit Drohungen oder leeren Versprechungen ihren Widerstand brach. Es war kein Lohn zu erwarten, wenn sie ihm half – kein Rückflug nach Hause, keine Rettung. Ihr Leben war so oder so zu Ende. Die Frage war, was sie mit der Zeit machte, die ihr noch blieb.
Sarie behielt ihren geschockten, verängstigten Gesichtsausdruck bei, obwohl sie nur noch Zorn und Hass empfand. Das waren die Gefühle, die ihr helfen würden, es durchzustehen. Zorn und Hass.
»In Afrika breiten sich Krankheiten sehr schnell aus«, begann sie mit dem, was sie sich in den Stunden zurechtgelegt hatte, die sie eingesperrt war. »Aids ist ein gutes Beispiel dafür. Aber im Westen ist das anders. Dort sind die medizinischen Versorgungseinrichtungen auf einem sehr hohen Niveau und die Menschen wissen, wie man sich schützen kann.«
Aus dem Augenwinkel sah sie, dass der Mann im Glaskäfig sie anstarrte, und sie verlor einen Moment lang den Faden.
»Sprechen Sie weiter«, forderte Omidi sie auf.
»Das erste Symptom der Infektion ist offensichtlich Verwirrung. Man wird die Leute über Fernsehen und Radio
warnen, und da fast jeder in Amerika ein Haus, eine Waffe und ein Telefon hat, können sie entsprechend reagieren. Sie könnten sich irgendwo verbarrikadieren und infizierte Personen erschießen, sie können Rettung und Polizei rufen …«
Natürlich waren ihre Ausführungen reiner Unsinn. Die Phase der Verwirrung war nur kurz und würde in vielen Fällen gar nicht auffallen. Realistisch war eher, dass jemand sich in der Firma krank meldete, weil er sich nicht gut fühlte und die Symptome voll
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