Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
zusammen, schlimmer als sie es jemals erlebt hatte, aber dann drehte er sich zu seinem Gast um und zwang sich zu einem Lächeln. »Warum gehst du nicht solange nach unten, Yanis, während ich das hier regle«, sagte er. »Du weißt ja, wo du etwas zu trinken findest.«
Die Unterbrechung hatte Sara genug Zeit gegeben, um sich zu sammeln. Sobald der Fremde verschwunden war, faßte sie ihren Mann am Arm. »Vannor, sie hat mich angegriffen! Und sieh nur, was diese verfluchte Brut getan hat! Ich bestehe darauf, daß du sie bestrafst, sonst …«
»Sonst was? Sonst gehst du zurück in die Armut, aus der ich dich geholt habe?« Vannors Gesicht war ausdruckslos wie Stein. Sara erbleichte bei seinen Worten und schwieg auf der Stelle. Zanna seufzte erleichtert. Seine neue Frau hatte ihrem Vater so den Kopf verdreht, daß sie gefürchtet hatte, er würde Saras Partei ergreifen. Aber ihre Erleichterung war nur von kurzer Dauer. Als Vannor sich zu ihr herumdrehte, begriff Zanna mit sinkendem Mut, daß Sara nicht die einzige war, die sich in Schwierigkeiten befand. »Geh auf dein Zimmer«, knurrte Vannor. »Mit dir werde ich mich später beschäftigen!«
Zanna war auf den Ärger ihres Vaters vorbereitet gewesen, aber seine Enttäuschung war mehr, als sie er, ertragen konnte. »Ich dachte, ich könnte mich darauf verlassen, daß du vernünftig bist«, schimpfte Vannor. »Ich weiß, daß du deine Mutter vermißt – glaubst du nicht, daß ich sie ebenfalls vermisse? Ich weiß, daß du Sara nicht an ihrer Stelle haben willst. Aber ich werde nicht zulassen, daß sich mein Haus in ein Schlachtfeld verwandelt, Zanna! Sara ist deine Stiefmutter, und du wirst sie mit Respekt behandeln!«
Zanna konnte vor lauter Tränen nicht mehr sprechen. Vannor, der schon hatte gehen wollen, machte noch einmal kehrt, kam zu ihr zurück und legte seinen Arm um das schluchzende Mädchen. »Mädel, nun wein doch nicht! Ich bin nicht so dumm, daß ich dir die ganze Schuld dafür gebe, was passiert ist. Ich habe mit Sara gesprochen.« Er blickte so grimmig, daß Zanna sich fragte, was er wohl gesagt haben mochte. »Sie wird Antor nicht noch einmal mißhandeln, das verspreche ich. Aber sie ist Kinder nicht gewohnt, und …«
»Verdammt, Papa, warum mußt du dich für sie entschuldigen? Siehst du denn nicht, daß sie …« Die närrischen, unpassenden Worte sprudelten aus Zanna hervor, bevor sie sie aufhalten konnte, und wurden erst durch Vannors Backpfeife jäh unterbrochen.
»Hüte deine Zunge, Mädchen, oder ich werde, bei den Göttern …« Mit vor Wut und Ärger verzerrtem Gesicht stampfte Vannor hinaus und schlug die Tür hinter sich zu.
Mit seiner Weisheit völlig am Ende, kam er die Treppe herab – beschämt über das, was er gerade getan hatte, und immer noch aufgeregt wegen der vorhergehenden Szene mit Sara. Er betete sowohl seine Frau als auch seine Tochter an, aber warum konnten sie nicht einfach einmal versuchen, miteinander auszukommen? Er rieb sich den schmerzenden Kopf. Bei den Göttern, welch eine Nacht! Als er morgens sein Haus verlassen hatte, war noch alles seinen geregelten Gang gegangen, wie gewöhnlich. Und einige Stunden später war er zurückgekommen, um ein Chaos vorzufinden.
In der kurzen Zeit seit seiner Rückkehr hatte Vannor seinen schreienden Sohn beruhigt und ihn einer wutschnaubenden Dulsina übergeben (die, nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, wohl auch noch vorhatte, mit ihm einen Strauß auszufechten, bevor der Abend vorbei war). Er hatte das Kindermädchen entlassen, das die ganze Zeit draußen gewesen war und mit dem Gärtner getändelt hatte, während Antor drinnen auf Abenteuer aus war. Nachdem er dem in Tränen aufgelösten Mädchen befohlen hatte, seine Siebensachen zu packen, war er der wildgewordenen Köchin in die Arme gelaufen, die schon gepackt hatte und ihm verkündete, daß er sich die Festmahlzeit zur Sonnenwende in Zukunft doch besser selbst zubereiten solle, wenn ihm ihre Speisen nicht länger gut genug seien.
Hebba war mit ihrem Gepäck hinausmarschiert und hatte ihn staunend stehenlassen. Als ob das alles noch nicht genug gewesen wäre, folgte anschließend ein mörderischer Streit mit Sara, die jetzt nicht mehr mit ihm sprach, und dann hatte er auch noch seiner Lieblingstochter weh getan. Was wird das für ein verflucht miserables Sonnenwendfest, dachte Vannor bitter.
Und erst jetzt, auf dem Weg zu der hochwillkommenen Zuflucht seiner Bibliothek, fiel ihm sein Gast wieder ein. Vannor
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