Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
Tragödien –, und du mußtest darüber hinaus noch mit einigen besonders schockierenden Neuigkeiten fertig werden. Und jetzt können wir unseren Gefühlen ruhig freien Lauf lassen – hier, wo wir im Moment sicher sind: Es kann nie ein Fehler sein, Trost zu benötigen – oder sich trösten zu lassen, D’arvan. Und wir beide haben es gerade jetzt besonders nötig.« Während sie sprach, ließ sich Maya neben den jungen Magusch auf den Boden sinken und legte ihre Arme um ihn. Er wandte sein Gesicht ab.
»Wie kannst du es ertragen, mich zu berühren?« murmelte er. »Du weißt ja gar nicht, was ich bin.«
»Quatsch! Ich weiß genau, was du bist – das weiß ich schon seit Monaten. Du bist schüchtern und gutherzig, du liebst die Musik und die Blumen, und du hast die erstaunlichste Begabung fürs Bogenschießen, die mir jemals untergekommen ist. Ich kann es immer noch nicht glauben, wie du damals bei deinem ersten Besuch in der Garnison nur mal probeweise mit meinem Bogen geschossen und mir dann erzählt hast, du hättest nie zuvor so ein Ding in der Hand gehalten. Das ist also schon einmal eine Sache, für die du gut bist. Dann kannst du mit den Wölfen sprechen, und Lady Eilin glaubt, daß du die Erdmagie beherrschen wirst – und wer weiß schon, welche Talente du vielleicht von deinem Vater geerbt hast? Ich weiß, was du bist, D’arvan. Du bist auf jeden Fall etwas ganz Besonderes.«
Es fing damit an, daß sie ihn tröstete. Während sie sprach, spürte Maya, wie D’arvan sich entspannte, und langsam legten sich seine Arme um sie. Sie war eigentlich überrascht, wie gut ihr das tat, und mußte dann feststellen, daß ihre Gedanken plötzlich darum kreisten, wie anziehend sie ihn in letzter Zeit doch gefunden hatte. Halt! warnte sie ihr gesunder Menschenverstand. Es ist eine Dummheit. Du weißt, wie es Aurian und Forral ergangen ist.
Aber Maya kümmerte sich nicht darum. Sie machte sich keine Illusionen darüber, in welch jämmerlicher Lage sie sich befanden, und plötzlich kam es ihr so vor, als sei dies vielleicht die letzte Gelegenheit für sie beide.
»Weißt du«, murmelte sie D’arvan zu, »daß du das schönste Gesicht hast, das ich je gesehen habe?« Und dann küßte sie ihn.
Der Magusch erstarrte, seine Lippen reagierten nicht im geringsten. Jäh riß er sich los. »Nein!« keuchte er. »Ich kann nicht!«
Maya kam sich unaussprechlich dumm vor, versuchte aber, das beste aus der Situation zu machen. Wie konnte sie sich nur mit Anstand aus der Affäre ziehen? »So schlimm, hm?« fragte sie mit einem Achselzucken.
D’arvans Gesicht lief karminrot an. »Nein, Maya! Ich meine – du sollst nicht denken … Es ist nicht wegen dir …«
»Nun, das beruhigt mich immerhin.« Ihr Versuch, ihn von seinem Gestammel zu erlöschen, schien die Sache noch schlimmer zu machen. Er wandte sein Gesicht ab und weigerte sich, sie anzusehen.
»Es tut mir leid«, murmelte er. »Ich kann nicht. Ich meine, ich habe nie … Ach verdammt, ich wüßte ja noch nicht einmal, wo ich anfangen sollte!«
Maya lächelte. »Wenn du willst«, sagte sie sanft, »dann ist es mir eine Ehre und ein Vergnügen, dir das beizubringen.«
Zuerst war er unbeholfen – unbeholfen und verlegen und furchtbar schüchtern. Aber Maya war geduldig. Zart und ohne Hast ermutigte und leitete sie ihn, und der Ausdruck von Erstaunen auf D’arvans Gesicht – zum erstenmal, als er selbst den Höhepunkt der Lust erreichte, und dann noch einmal, als sie ihm zeigte, wie er die gleiche Lust bei ihr erregen konnte – belohnte sie mehr als reichlich dafür. Beim Anblick seines im ersten Dämmerlicht strahlenden Gesichts überflutete Maya ein so intensives Gefühl der Zärtlichkeit, daß es ihr den Atem verschlug. So wählerisch sie auch in der Vergangenheit bei der Auswahl ihrer Liebhaber gewesen war – es war keiner dabeigewesen, der dieses Gefühl in ihr wachgerufen hatte. Sie streckte die Hände aus, um sein Gesicht zu berühren. »Siehst du«, erklärte sie ihm, »jetzt haben wir noch etwas entdeckt, auf das du dich verstehst.«
D’arvan lief rot an, aber seine Augen glänzten vor Freude. »Ach, Maya. Ich hätte mir nie erträumt … Maya – du gehst doch nicht zurück in die Stadt, oder? Ich möchte von jetzt an nie mehr von dir getrennt werden.«
Maya legte ihre Stirn in tiefe Falten, als sie begriff, wie sehr sie die Dinge kompliziert hatte. »D’arvan«, sagte sie sanft. »Es wird die Zeit kommen, da wir kämpfen müssen. Das weißt du
Weitere Kostenlose Bücher