Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
seinen Widersacher zu töten, aber diese Frau – diese Kriegerin – hat uns mit der tapfersten Vorstellung in der Geschichte der Arena geehrt. Niemand wird diesen Tag vergessen. Wollt Ihr ihr nicht anläßlich des freudigen Ereignisses Eurer Hochzeit Gnade gewähren?«
Oh, danke, Eliizar, dachte Aurian.
Auf dem Balkon war der König ganz von seiner Entscheidung gefangengenommen. Er schwankte. Begnadigung wäre eine großzügige Geste und eines Khisu wahrhaft würdig, aber die Gebieter hatten ihm von dieser gefährlichen Fremden erzählt, und er war sich nicht sicher, ob er sie in seinem Land auf freiem Fuß haben wollte.
Aurian beobachtete den Khisu und hielt den Atem an. Das war das erste Mal, daß sie ihn ruhig sehen konnte. Er sah jünger aus, als er sein mußte, aber sein Gesichtsausdruck war wölfisch und wild. Unter seinen geraden Brauen glitzerten dunkle Augen mit unbarmherziger Grausamkeit. Sein schwarzes Haar, das ihm weit bis über die Schultern fiel, zeigte keine Spur von Grau, und er trug einen langen, an den Enden herunterhängenden Schnurrbart. Sein Körper war schlank, geschmeidig und muskulös – eine Maschine zum Töten –, und es sah so aus, als benutzte er ihn regelmäßig – und effektiv. Bei den Göttern, dachte Aurian. Es würde mir gefallen, mit ihm zu kämpfen. Allerdings würde es mir vielleicht sogar auch gefallen, mit ihm zu schlafen. Der Gedanke, sehr unpassend in ihrer verzweifelten Situation, schockierte sie. Aber es war unleugbar. Seine Aura war unwiderstehlich anziehend und genauso gefährlich. Er war wie ein prachtvolles, wildes Tier.
Dann trat plötzlich die Königin – die neue Khisihn – aus dem Schatten des Balkons hervor und murmelte etwas in das Ohr des Khisu. Ihr Gesicht war verschleiert, aber das helle Aufblitzen goldenen Haares war unverkennbar. Sara! Aurian sank benommen vor Schreck an Shias Seite zu Boden. Wie, in Namen aller Götter, hatte dieses verfluchte Weibsbild das zustande gebracht?
Sara war von Aurians Erscheinen in der Arena gleichermaßen überrascht gewesen. Was für ein Pech! Wenn diese verdammte Magusch dem König erzählte, daß sie bereits verheiratet war, wäre all die Arbeit, die sie gehabt hatte, um ihn zu gewinnen, umsonst gewesen. Sie trat zu ihm heran und flüsterte etwas in sein Ohr, dankbar dafür, daß er ihre Sprache beherrschte, obwohl sie im Erlernen der seinen ebenfalls große Fortschritte machte. »Tötet diese Frau, mein Fürst«, sagte sie. »Macht mir das Geschenk ihres Todes.«
Xiang starrte sie verblüfft an. War das die sanfte Kreatur, die ihn so bezaubert hatte?
»Bitte, mein Liebster.« Sara lächelte verführerisch, und der Khisu fand es wie immer unmöglich, ihr zu widerstehen. Sein Daumen begann bereits, sich nach unten zu drehen, das traditionelle Zeichen für Tod.
»Halt!« Prinz Harihn trat aus dem hinteren Teil des Balkons hervor. »Es ist Sitte, daß der Khisu an seinem Hochzeitstag Geschenke macht«, sagte er. »Irgendwie bin ich dabei bisher übersehen worden.« Er lächelte seinen Vater ohne Wärme an. »Gib sie mir, Vater. Gewähre mir das Geschenk des Lebens dieser Frau.« Seine Stimme scholl mit vorsätzlicher Lautstärke durch die Arena, und der Khisu fand sich plötzlich im Mittelpunkt Hunderter neugieriger Augen wieder. Er funkelte seinen Sohn wütend an.
»In Namen des Schnitters, warum?«
Harihn zuckte die Achseln. »Du hast mir schon so lange damit in den Ohren gelegen, daß ich eine Frau brauche. Diese fremde Kriegerin stellt eine Herausforderung dar, der ich nicht widerstehen kann.«
Sara, der es gelungen war, dem größten Teil dieses Gespräches zu folgen, spürte, wie ihr der günstige Moment entglitt. »Mein Fürst«, protestierte sie. »Ich bitte Euch, schenkt mir den Tod dieser Frau.«
»Da siehst du’s, mein Sohn.« Der Khisu zuckte mit den Schultern. »Siehst du, in was für eine Bedrängnis du mich gebracht hast. Ich muß entweder meinen Erben enttäuschen – oder meine neue Braut.« Er schenkte Sara ein betörendes Lächeln, bevor er sich wieder an den Prinzen wandte. »Diese Frau kann doch unmöglich so wichtig sein? Man kann sie kaum eine Schönheit nennen, und jedermann würde es sich zweimal überlegen, bevor er mit einem solchen Weibsteufel ins Bett stiege. Komm.« Seine Stimme hatte einen harten Klang angenommen. »Suche dir ein anderes Geschenk aus, Harihn. Wenn es eine Frau ist, die du willst, dann stelle ich dir zur Auswahl mein ganzes Serail zur Verfügung. Jede einzelne
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