Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
dieser Frauen befindet sich in der Blüte ihrer Schönheit, und jede von ihnen ist aufs beste bewandert in den Künsten der Liebe.«
Harihn biß die Zähne zusammen. »Nein«, sagte er ausdruckslos. »Ich will diese Frau.« Vater und Sohn funkelten einander wütend an, und alle vorgetäuschte Freundlichkeit war plötzlich dahin. Der Khisu dachte hastig nach. Was hatte Harihn vor? Wollte er lediglich seinen königlichen Vater in der Öffentlichkeit bloßstellen, oder wollte er zwischen ihm und seiner neuen Königin Unfrieden stiften? Oder hatte er irgendein anderes Motiv dafür, diese Zauberin in seinen Haushalt aufzunehmen?
Xiang traf seine Entscheidung. Das wahrscheinlichste war, daß die Hexe ihrem Gönner bei erster Gelegenheit einen Dolch in den Rücken jagen würde, womit sie Problem gelöst wäre. Wenn nicht … nun, es gab noch andere, unauffällige Möglichkeiten, diese Sache zu erledigen. »Nun gut, mein Sohn«, sagte er so laut, daß die atemlos lauschende Menge es hören konnte. »Ich kann dir deine Bitte nicht verweigern. Ich unterstelle also diese tapfere Kriegerin deiner Fürsorge.« Er hob den Daumen in der Geste, die Leben bedeutete, und die Menge applaudierte. Sara keuchte entsetzt.
»Mein Vater, ich danke dir«, sagte Harihn und überquerte, nachdem er sich dramatisch über den Balkon geschwungen hatte, den Raum, der ihn von Aurian trennte.
Die Magusch beriet sich kurz mit Shia. »Es sieht so aus, als wäre unser Leben gerettet – für den Augenblick. Sollen wir mit diesem Mann mitgehen?«
»Ich traue ihm nicht.«
»Ich auch nicht. Aber ich denke, wir sollten das Risiko eingehen. Es ist besser, als von diesen Idioten hier in Stücke gehackt zu werden.«
»Einverstanden.«
Als der Khisal näher kam, verbeugte Aurian sich tief, zuckte jedoch vor Schmerz zusammen und biß sich auf die Lippen, um nicht die Fassung zu verlieren, als sie sah, wie seine Augen auf ihren Brüsten ruhten, die durch die Zerstörung ihrer Lederweste nun seinem Blick preisgegeben waren. »Ich danke Euch, Euer Hoheit«, sagte sie.
Er lächelte. »Tapfer gekämpft, Kriegerin. Die Ehre ist ganz meinerseits. Wirst du mit mir kommen?« Er streckte die Hand aus, um Aurian zu helfen, und die große Katze knurrte warnend.
»Ich fürchte, Ihr habt auch meine Freundin geerbt«, sagte Aurian.
Der Prinz warf einen zweifelnden Blick auf Shia. »Aber gern«, log er, »nur, daß mein Vater sie nicht in unseren Handel eingeschlossen hat.«
Aurian war dieser Scharade herzlich müde, und sie wußte, daß sie am Ende ihrer Kräfte angelangt war. »Wohin ich gehe, dahin geht auch Shia«, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme. »Wollt Ihr vielleicht versuchen, sie aufzuhalten? Aber vielleicht habt Ihr ja vor Eurem Vater noch mehr Angst.« Harihn runzelte die Stirn und blickte zu der Menge empor. Aurian wußte, daß er sich vor der Katze fürchtete, aber gleichzeitig hatte er Angst, sich zum Narren zu machen, falls Shia ihm seinen triumphalen Abgang ruinieren sollte. »Sie wird einem Freund von mir nichts zuleide tun, und Euer Volk wäre sicher beeindruckt von einem Prinzen, der ein solches Geschöpf zähmen kann«, legte sie ihm nahe.
Harihn strahlte bei ihren Worten. »Na schön. Wird er mir erlauben, dir zu helfen?«
»Sie. Ja, das wird sie.«
Der Prinz hob Aurian theatralisch vom Boden auf und verließ die Arena; die große Katze heftete sich wachsam an seine Fersen.
Die Menge jubelte begeistert. Die Leute schienen vergessen zu haben, daß sie nur wenige Minuten zuvor nach Aurians Blut geschrien hatten. Das letzte, was Aurian sah, als sie den Tunnel betraten, waren der Khisu und Sara, die ihnen wild hinterherstarrten mit nacktem Zorn in den Augen. Aurian spürte, wie eine unbehagliche Kälte ihr das Rückgrat heraufkroch. Was hatte dieser Prinz nun eigentlich mit ihr vor? »Halt meinen Geist fest«, bat sie Shia. »Ich wage es nicht, jetzt ohnmächtig zu werden.«
24
Die Suche nach Anvar
Die Demütigung des Sklavenmarktes war Anvar erspart worden. Nachdem er mehrere Tage in dem Schmutz und der Verzweiflung des lärmenden Kellergewölbes verbracht hatte, wurde er mit etwa fünfzig weiteren Sklaven, in Gruppen von zehn Männern aneinandergekettet, bei Nacht durch die schmalen, gewundenen Gassen der Stadt hinunter zum Kai geführt. Als der Morgen dämmerte, wurden sie dann schließlich auf offene Kähne getrieben und in der Gluthitze des Tages einige Meilen flußaufwärts zu dem Platz gerudert, an dem der Khisu seinen
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