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Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Titel: Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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nicht, während ich wie gebannt vor deinem Bild im Tunnel stand, alles erfahren, was ich weiß, und alles, was ich je erlebt habe?«
    »Wie gebannt, hm?« Die Mondsteinaugen hatten plötzlich einen Glanz, der voller Zustimmung war – und voll von etwas anderem. »Du hast nicht nur eine gute Beobachtungsgabe, du hast auch einiges Talent im Umgang mit Worten, junger Zauberer. Und natürlich hast du recht. Ansonsten hätte ich vielleicht gedacht, du seiest gekommen, um mich aus meinem einsamen Exil zu befreien.« Ihr kurzes Lächeln erstarb, noch bevor es ihre Augen erreichen konnte, und ihr Gesichtsausdruck wurde wieder kalt. »So, wie die Dinge liegen, bin ich mir wohl bewußt, daß du gekommen bist, um mir die Harfe zu stehlen.«
    »Zu stehlen, Herrin?« Anvar versuchte, seine Angst nicht zu zeigen. »Das sind harte Worte. Ich hoffte allerdings, dich überreden zu können, sie mir zu überlassen. Sie wurde von Magusch in der irdischen Welt angefertigt, und dorthin gehört sie auch. Ich muß sie unbedingt haben, um meine Welt vor dem Bösen zu retten.«
    »Was? Was willst du tun? Und ganz allein? Bist du also ein großer Held, der eigens dazu gemacht wurde, die Welt zu retten?« Sie versuchte nicht einmal, den Hohn in ihrer Stimme zu verbergen. Anvar, der eine überstürzte Erwiderung nur mit Mühe unterdrücken konnte, hatte sich gerade noch rechtzeitig wieder unter Kontrolle. Es würde ihm nichts nützen, wenn er vergaß, wie mächtig und wie gefährlich dieses Geschöpf in Wahrheit war.
    »Kein Held«, sagte er zu der Cailleach. »Das habe ich nie gewollt, nichts dergleichen. Das einzige, was ich wollte, waren meine Kräfte und Aurian. Ganz besonders Aurian. Aber das ist immer noch besser, als die Harfe für zerstörerische Zwecke zu mißbrauchen, oder? Und es ist besser, als etwas so Wunderbares hier verrotten zu lassen, ungeliebt und unbenutzt, unerreichbar von der Welt, in der es geschaffen wurde. Selbst jetzt kann ich die Harfe hören; sie ruft nach mir wie ein Kind, das sich verirrt hat; sie bittet mich, sie nach Hause zu bringen.« Als er diese letzten Worte aussprach, begriff er, daß sie der Wahrheit entsprachen. Der betörende Sternengesang war nicht mit der Brücke gestorben, sondern murmelte leise weiter, irgendwo ganz weit hinten in seinen Gedanken. Aber jetzt trug die Musik Worte zu ihm herüber: halb verstanden zunächst, aber doch mit jedem Augenblick klarer.
    Die Cailleach hob eine Augenbraue. »Die Harfe singt dir zu?«
    Aber Anvar hörte das Zittern des Zweifels hinter ihrem Hohn, sah, wie ihre Augen kaum merklich flackerten, bevor sie ihn erneut mit Blicken zu durchbohren schien. Doch es war tatsächlich wahr, die Harfe sang ihm zu, sang mit der kristallenen Sternenmusik der Brücke, sang zu ihm in den Tiefen seines Bewußtseins. Und die Harfe sagte ihm auch, wie er der Cailleach antworten mußte. »Natürlich singt sie mir zu. Das weißt du doch. Wer hat den Wellen des Sees verboten, mir Schaden zuzufügen? Wer hat die Brücke der Sterne gebaut, über die ich hierhergekommen bin? Zuerst dachte ich, das alles sei dein Werk gewesen, aber jetzt weiß ich es besser.« Anvar hob den Kopf und sah der Cailleach in die Augen. Ihre Blicke schlugen aufeinander wie zwei stählerne Klingen. Die Herrin der Nebel war die erste, die den Blick senkte. Als sie den Magusch wieder ansah, lächelte sie.
    Keine Spur mehr von dem alten Weib. Keine Spur mehr vom Adler. Ihr Gesicht war makellos jung und verführerisch. Wunderschön. Unwiderstehlich. Anvars Herz schlug schneller. » Narr «, sang die Harfe weit hinten in seinem Verstand. » Tor ! Hüte dich vor Betrug …« So, wie die Macht des Erdenstabs einen eindeutig männlichen Aspekt hatte, so war die Melodie der Harfe unbestreitbar weiblich.
    »Wo bist du?« rief der Magusch ihr in Gedanken zu. »Wie kann ich dich finden?«
    » Im Innern. Im Innern … « Anvar blickte grinsend zu der Cailleach auf. »Warum bittest du mich nicht hinein?« Da sah er plötzlich in ihren Augen so etwas wie Triumph aufblitzen. Sie winkte ihn die gewundene Treppe hinauf, und als er in das goldene Glühen jenseits des Portals trat, hörte er, wie sich die Tür hinter ihm schloß wie die stählernen Klauen einer Falle.
    Das goldene Licht schien im Innern noch viel heller. Es verwirrte seine Augen, brannte sich in sein Gehirn. Es war wie ein Sturz mitten in das Herz der Sonne hinein. Anvar taumelte nach vorn, blind, schwindlig, orientierungslos. Er hörte das gackernde

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