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Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Titel: Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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und den geschmolzenen Schnee von den Bergen auffingen. Rabe trank ihren Wein aus und stellte den Becher beiseite; dann schleuderte sie ihren abgetragenen, an vielen Stellen geflickten Lederrock von sich – eben jenen Rock, in dem sie damals in ihre allzu kurze Freiheit geflohen war. Sie ließ ihn durch ihre Hände gleiten und blickte mit von Tränen verschwommenen Augen auf Nerenis saubere, winzige Stiche, bevor sie das Kleidungsstück mit einem bitteren Fluch zu Boden warf.
    Sobald sie sich abgetrocknet hatte und in ihr Zimmer zurückgekehrt war, machte sie sich daran, ihr in Unordnung geratenes Gefieder geduldig zu putzen, wobei sie die zerzausten Federn mit ihren zu Klauen gebogenen Fingernägeln zurechtzog und immer wieder innehielt, um noch einen Schluck Wein zu trinken. Es war lange her, seit sie zum letzten Mal etwas gegessen hatte, und das ungewohnte Getränk tat ein übriges, so daß es ihr bald schwindlig wurde. Das Gefühl ängstigte sie zuerst, aber dann gewöhnte sie sich schnell daran, und nach einer Weile begann sie, es zu genießen. Ein Plan kam ihr in den Sinn, während sie sich weiterputzte; noch kein ganz vollständiger Plan, aber er bot ihr eine leise Hoffnung, daß sie den Aufmerksamkeiten Schwarzkralles vielleicht doch noch entkommen könnte. Der Sitte nach vermählten die Himmelsleute sich nur einmal in ihrem Leben und dann für immer; keiner von ihnen würde jemanden berühren, der bereits einem anderen gehört hatte.
    So tief war sie in Gedanken versunken, daß sie erst gar nicht reagierte, als Schwarzkralle eintrat. Dann jedoch drehte sie sich mit pochendem Herzen zu ihm um. Der Hohepriester sagte nichts. Er stand einfach nur in der Tür und ließ seine gierigen Blicke über ihren Körper gleiten. Hinter ihm standen zwei glotzäugige Wachen, Kriegerpriester in der Livree des Tempels. Zeugen, dachte Rabe. Hervorragend. Ohne den Wein hätte sie es niemals fertiggebracht. Obwohl Rabe, als sie seine Augen auf sich spürte, eine Gänsehaut bekam und das Blut ihr vor Schande zu Kopf stieg, machte sie sich nicht die Mühe, ihre Nacktheit zu verbergen. Sie zwang sich, den Kopf zu heben und dem Hohenpriester unverfroren in die Augen zu sehen, obwohl es das schwerste war, was sie je in ihrem Leben getan hatte.
    »Du kommst zu spät, Schwarzkralle«, fauchte das geflügelte Mädchen. »Das heißt, es sei denn, du willst dich mit einer Frau beschmutzen, die bereits besudelt ist. Dein Mitverschwörer hat dich hintergangen, Hoherpriester. Der Mensch hat mich bereits gehabt – und nicht nur einmal, sondern viele Male.« Rabe hörte das entsetzte Aufkeuchen der Tempelwächter und zwang sich, Schwarzkralle ins Gesicht zu lachen.
    Der Hohepriester fiel in ihr Gelächter ein, und Rabe wußte, daß sie verloren hatte. »Das hat Harihn mir erzählt«, kicherte Schwarzkralle mit einem wissenden Grinsen. »Er sagt, du hättest dich als sehr begabte Schülerin erwiesen, meine kleine Prinzessin, und er hofft, er hätte dir genug beigebracht, damit du mich in den langen, kalten Nächten von Aerillia unterhalten kannst.«
    Mit diesen Worten erstickte er Rabes Gelächter so wirksam, als hätte er ihr die Kehle durchgeschnitten.
    »Du Närrin«, höhnte Schwarzkralle. »Hättest du einen geflügelten Mann erwähnt, wäre es vielleicht anders gewesen, obwohl ich mich, da der Thron auf dem Spiel steht, auch dann noch hätte überwinden können, dich zu nehmen. Aber so, wie die Dinge liegen – welchen Unterschied macht schon ein Mensch? Sie sind nicht von unserer Rasse. Du hättest dich genausogut mit einem Bergschaf besudeln können – die Wirkung wäre die gleiche gewesen.«
    Er trat ins Zimmer und schenkte sich einen Becher Wein ein, wobei er einen verwunderten Blick auf die halb geleerte Flasche warf. »Auf Schande«, verspottete er sie, »auf Schande, Lüsternheit und Trunksucht. Nehmen denn die Laster, die du bei diesen erdgebundenen, kriechenden Insekten gelernt hast, gar kein Ende mehr?« Er zuckte mit den Schultern. »Egal. In der Hauptsache ist es deine Hand, die ich begehre – obwohl ich mich in angemessener Zeit auch deines Körpers bedienen werde. Die Verbindung mit der Thronerbin wird meinen Anspruch auf die Königswürde über alle Zweifel hinaus bekräftigen – und nach der Tradition mußt du als Jungfrau zu mir kommen, zumindest in gewissem Sinne.« Er stieß ein abscheuliches Kichern aus. »Menschen, wie ich bereits sagte, können da kaum mitgezählt werden. Und da unsere Verbindung erst stattfinden

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