Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe
berechnender Überlegung hielt er inne. »Aber warum solltest du nicht? Du hast ja wohl nichts gegen benutzte Waren. Schließlich warst du nicht zu stolz, dich über das herzumachen, was Forral übriggelassen hat.«
Anvars Herz brannte beim Anblick von Aurian, die dort kniete, erschrocken und beschämt. Während er die Tränen des Zorns zurückdrängte, funkelte er Miathan kalt an. »Das ist ja wohl die Stimme der Eifersucht«, höhnte er. »Sie war zu stolz, dich zu nehmen, nicht wahr? Tu dein Schlimmstes, aber diese Lady wirst du niemals besudeln, denn sie steht weit jenseits der Reichweite von deinesgleichen. Benutzte Waren? Du machst dir etwas vor. Wenn du Aurian nimmst, was sie dir niemals freiwillig geben würde, dann bist du derjenige, der beschämt wird, nicht sie. Du kannst vielleicht ihren Körper nehmen, aber ihren tapferen Geist wirst du niemals brechen, ebensowenig wie du je ihr Herz berühren kannst. Was du auch tust, du hast bereits verloren.«
Der Erzmagusch stand da, als hätten Anvars Worte ihn zu Stein verwandelt, aber eben diese Worte gaben Aurian ihren zerschmetterten Mut zurück. Sie wandte sich von Miathan ab, hob stolz das Kinn und sprach direkt mit Anvar, als wären sie allein im Zimmer. »Mein Liebster«, sagte sie weich. »Solange ich dich habe, habe ich auch Hoffnung.«
Anvar sah sie an, und sein ganzes Herz lag in seinen Augen. »Du wirst mich immer haben, das verspreche ich.«
Miathan stieß einen abscheulichen Ruch aus und machte den Wachen ein Zeichen. Einer von ihnen zog sein Schwert und versetzte Anvar einen harten Schlag mit dem Griff. Lautlos brach er auf dem Boden zusammen, als seine Wächter ihren Griff lockerten.
»Du hast gesagt, ihm würde nichts geschehen!« rief Aurian.
»Habe ich das?« Harihns Gesicht wurde von Miathans häßlichem Stirnrunzeln verunstaltet, und Aurian sah heiße Eifersucht in seinen Augen brennen. »Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Anvars weitere Gesundheit hängt ganz und gar von deinem zukünftigen Verhalten mir gegenüber ab.« Er lachte ihr höhnisch ins Gesicht und liebkoste ihren Körper. Obwohl seine Berührung ihr Übelkeit verursachte, ertrug Aurian sie, ohne eine Regung zu zeigen, und konzentrierte sich statt dessen auf Anvars Worte.
Miathan, der so um sein Vergnügen betrogen wurde, hörte mit seiner Quälerei auf und bombardierte sie mit wütenden Schlägen, bis sie vor Schmerzen schluchzte. »Wenn ich zurückkehre, erwarte ich, dich in etwas entgegenkommenderer Stimmung zu finden – um Anvars willen«, fuhr er sie an und stolzierte aus dem Zimmer, gefolgt von den Männern, die Anvars bewußtlosen Körper mit sich trugen. Aurians Wachen warfen sie, gefesselt wie sie war, zu Boden und ließen sie neben dem verlöschenden Feuer auf dem kalten Boden liegen, allein und verzweifelt.
Yazour taumelte durch den Paß, geschwächt und entkräftet von seinen Wunden, während der Wind und der dahintreibende Schnee ihn gnadenlos durchschüttelten. Zu allem Übel war er sich noch nicht einmal mehr sicher, ob er immer noch in die richtige Richtung lief, weg von dem Turm. Blut strömte von dem Pfeil herab, der seine linke Schulter durchbohrt hatte, aber wunderbarerweise war der Schmerz einem Gefühl der Taubheit gewichen. Auch der Schwertschnitt in seinem Oberschenkel, den er, beinahe ohne es zu bemerken, in der Hitze des Kampfes erhalten hatte, tat nicht mehr weh. Das war ein Segen, den ihm der Schnee spendete! Der freundliche Schnee, der ihm seine Schmerzen nahm.
Was tue ich eigentlich hier draußen im Schnee? Warum kann ich mich an nichts erinnern? fragte er sich. Es schien Yazour, als gäbe es da etwas, an das er sich erinnern sollte … Irgendeine Gefahr … Lief er nicht vor irgend jemandem oder irgend etwas davon? Aber warum sollte er sich Sorgen machen? Der wunderbare Schnee würde sich schon um ihn kümmern. Er lag überall um ihn herum, wie eine dicke, weiche Decke. Er würde ihn verbergen, so wie die Decken in seiner Kindheit ihn verborgen hatten, wenn Alpträume ihn aus den dunklen Ecken seines Zimmers ansprangen. Natürlich! Das war die Antwort. Er würde sich hier verstecken und in dem weichen, warmen Schnee Ruhe finden … Mit diesem Gedanken sank der verwundete Krieger auf die Knie, fiel nach vorn und überließ sich dankbar der Dunkelheit und der tödlichen Umarmung des Winters.
Miathan stürmte die Treppe hinunter und genoß die disziplinierte Kraft des jugendlichen Körpers des Prinzen. Er lächelte und verbannte
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