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Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Titel: Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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… Ungeachtet seiner eigenen Qual und seiner verzweifelten Angst um Aurian betrachtete der junge Magusch die vor ihm liegende Stadt mit Staunen und Bewunderung.
    Aus dem lebenden Berg gehauen, bildeten die Turmspitzen phantastische Gestalten und Strukturen, die kein erdgebundener Erbauer sich jemals auch nur erträumt hätte. Ansammlungen von Wohngebäuden schienen aus den Felswänden herauszuwachsen wie die zarten Korallen, die Anvar unter Wasser in der warmen, südlichen Bucht gesehen hatte, wo Aurian ihm das Schwimmen beigebracht hatte. Andere Gebäude schienen wie Blasen oder Wassertropfen oder Eiszapfen in der Luft zu schweben; sie hingen von vorspringenden Felskanten herunter oder klebten an einem schreckenerregenden Abgrund. Wieder andere dagegen wuchsen in Spiralen, Schneckengebilden oder Flöten mit spitz zulaufenden Türmen empor; ihre schlanken Spitzen waren so hoch, daß sie hinter einem Schleier tiefhängender, zerklüfteter Wolkenbanner lagen. Der Stein, aus dem sie gebaut waren, glühte rosa, cremefarben und golden in dem zarten Licht der Morgendämmerung vor dem grimmigen, bedrohlichen Hintergrund des schiefergrauen Himmels. Dann senkte sich die unterste Wolke wie ein Deckel herab und legte sich vor die Sonne, und die Stadt wurde zu einem Gespenst ihres früheren Selbst, wie eine mit flüchtigen Federstrichen hingeworfene Skizze aus Silber und Grau.
    Der Wind wehte jetzt schärfer. Als der Magusch, der in dem Netz zwischen seinen Wächtern hing, sich der Stadt näherte, vernahm er ein verzweifeltes, mißtönendes Wehklagen, das ihn bis in die Wurzeln seiner Zähne schmerzte, und das in den Knochen seines Schädels vibrierte und seine Seele mit einem überwältigenden Gefühl der Unterdrückung und des Entsetzens erfüllte. Das Geräusch wurde lauter und schriller, als sie sich der Stadt näherten, bis die Wolken, die den Gipfel von Aerillia einhüllten, wie ein zur Seite gezogener Vorhang verschwanden. Anvar blickte auf und erstarrte in entsetzter Ungläubigkeit.
    Dort, auf der obersten Zinne des Bergs, ragte ein gewaltiges, grauenhaftes Gebäude aus nachtschwarzem Stein in den Himmel. In jeden Zoll des asymmetrischen, mit Strebepfeilern gestützten Monstrums waren höhnisch grinsende, widerwärtig häßliche Bilder von Dämonen geschnitzt, gehörnt und geschnäbelt und feuerschnaubend – und geflügelt wie große Rabenvögel, die verwesende Leichen zwischen ihren Fängen hielten. Anvar, der gegen einen heftigen Drang, sich zu übergeben, kämpfte, vermochte es nicht, den Blick abzuwenden. Das geduckte, verzerrte Bauwerk wurde von fünf nach innen gewölbten Türmen gekrönt, die wie ebenholzschwarze Klauen in den Himmel ragten – die Quelle dieser grauenerregenden Klage, die qualvoll in Anvars Ohren pulsierte. Jeder dieser Türme war mit einer Vielzahl von Löchern durchbohrt, Löchern, die dunkel und rund waren wie die Augenhöhlen in einem Schädel. Durch diese Löcher hindurch wurden die sich frei bewegenden Winde eingefangen, verformt und verzerrt und dann in diesem entstellten, gequälten Klang wieder ausgespien, um den gefühllosen Gipfeln ihre Qual entgegenzuschreien.
    Der zitternde Magusch war erleichtert, als seine Eskorte ihn weiter nach unten brachte und das groteske Gebäude hinter den hoch aufragenden Wänden eines Felsvorsprungs verschwand. Der Klang folgte ihm jedoch und quälte ihn weiterhin. Unterhalb der Stadt stürzte der Berg zu einem jähen, gesichtslosen Felsen hinunter, und nach einer Weile sah Anvar eine Öffnung in dem Gestein vor sich, ein klaffendes, schwarzes Maul mit scharfen, stalaktitenartigen Zähnen. Die Maschen schnitten in seine Haut, als seine geflügelten Wächter das Netz zusammenzogen und mit ungeheurer Geschwindigkeit auf die Öffnung zuflogen. Anvar krümmte sich und konnte nur mit Mühe einen Schrei unterdrücken, als die gezackten Felsen, die die Öffnung umgaben, auf ihn zujagten. Zu klein ! Es ist zu klein, verdammt noch mal ! Wir werden …
    Einen Augenblick lang bekam Anvar keine Luft mehr, als das Netz gegen den oberen Rand des Höhleneingangs prallte. Als die Geflügelten ihn losließen, überschlug er sich mehrfach, wurde von seinem eigenen Schwung immer weiter getragen und so fest in die Maschen eingewickelt, daß er kaum noch atmen konnte. Er krachte an der Rückseite der Höhle gegen die Wand, und für eine kurze Zeit wurde ihm schwindelerregend schwarz vor Augen.
    Der in seinem Netz gefangene Magusch hörte das Rascheln von Federn, als die

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