Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe
ihm zu gehorchen. Ob du es weißt oder nicht, du bist genausosehr ein Gefangener wie ich.«
Harihn erstarrte bei ihren Worten. »Du irrst dich!« donnerte er. »Wir haben ein Abkommen. Du bist meine Gefangene, und die Tage deines Hochmuts sind vorbei. Beim Schnitter, du wirst lernen, wo dein Platz ist. Du wirst mir gehorchen, oder …«
»Aber natürlich, Harihn«, stimmte Aurian ihm mit süßer Stimme zu.
Der Prinz, von ihrer Kapitulation verwirrt, starrte sie aus schmalen Augen an. »Du lügst«, brauste er auf. »Erwartest du, daß ich dir diesen mitleiderregenden Versuch, meinen Verdacht zu beschwichtigen, abkaufe und dich gehen lasse?«
Aurian lachte ihm ins Gesicht. »Harihn, du bist ein größerer Idiot, als ich gedacht hatte. Der Erzmagusch hält Anvar als Geisel, und du hast Eliizar und Bohan. Glaubst du denn, daß ich zulassen würde, daß Anvar getötet wird? Würde Nereni Eliizar in Gefahr bringen, um mir zu helfen? Wenn ich meine Freunde opfern würde, wie weit würde ich denn ohne ein Pferd wohl kommen? Du mußt dich schon entscheiden. Hätte ich vor zu fliehen, hätte ich dann deine Tiere vertrieben?«
Harihn musterte sie mit einem finsteren Blick. Wie dieses unglückselige Weib immer seine Wort verdrehte! Aber wenn es ihn auch zutiefst erzürnte, er konnte nicht umhin, ihren Mut zu bewundern. Hätte er sich in ihrer Lage so gelassen verhalten können? Flüchtig bedauerte er die Zerstörung ihrer anfänglichen Freundschaft. Wenn er doch nur den Mut gehabt hätte, den Thron anzunehmen, den sie ihm angeboten hatte. Warum war er davor zurückgeschreckt, sich ihre Zauberei zunutze zu machen, nur um sie dann von einer anderen, grimmigeren Quelle anzunehmen? Endlich war Harihn in der Lage, sich die Wahrheit einzugestehen. Es hätte ihn gedemütigt, die Krone aus der Hand einer Frau entgegenzunehmen. Er blickte auf und sah, daß Aurian ihn mit ernstem und traurigem Gesicht beobachtete. »Was hast du denn dann vor?« erkundigte er sich mit sanfterer Stimme. Sie hielt ihm ihre leeren Hände entgegen – eine Geste, die mehr sagte als alle Worte. »Für den Augenblick gibt es nichts, was ich tun könnte.«
Ihre Worte legten sich wie eine eisige Kälte auf das Herz des Prinzen. »Was? Du willst dem Erzmagusch erlauben, dein Kind zu ermorden?«
»Ah«, sagte Aurian traurig. »Ich hatte mich schon gefragt, ob du, Prinz Harihn, überhaupt noch da bist, wenn Miathan von deinem Körper Besitz ergreift.« Sie schüttelte den Kopf. »Oh, Harihn, diese Situation betrübt mich zutiefst. Wir waren doch einmal Freunde, und ich habe nicht vergessen, wieviel ich dir verdanke. Warum ist nur alles so schrecklich schiefgegangen?«
Zu seinem Erstaunen bemerkte Harihn, daß ihr Kummer ihn rührte. Als sein Zorn sich legte, schämte er sich für das, was er getan hatte. Er streckte die Hand nach Aurian aus, und seine Lippen versuchten, eine Art Entschuldigung zu formen – und dann spürte er es. Ein raffiniertes, gräßliches Eindringen in seinen Schädel, wie eisige Klauen, die sich in seinen Geist senkten. Mit einem Ruck wurde sein Bewußtsein beiseite gestoßen, um zum Beobachter zu werden, gleichgültig und hilflos, und er versank spurlos in den Tiefen seiner Seele, während der Erzmagusch zurückkehrte, um seinen Körper für sich zu beanspruchen.
»Wie kannst du es wagen, meine Marionette ins Wanken zu bringen«, kam Miathans Stimme fauchend über die Lippen des Prinzen. Harihn, der im Inneren seines Körpers gefangen war, sah, wie Aurians Augen sich vor Entsetzen weiteten.
Die Höhle war wahrhaftig nichts Besonderes. Mit den zwei Pferden, Schiannath und dem Mann, den er gerettet hatte, war sie hoffnungslos überfüllt, aber zumindest verfügte sie in der von Rissen durchsetzten Decke über eine gute Entlüftung für den Rauch, und es gab einen großen Felsblock, der direkt vor dem Eingang lag und mit einiger Mühe zur Seite gerollt werden konnte, so daß die Öffnung zum Teil verschlossen wurde. Außerdem würde niemand, der noch ganz bei Verstand war, es wagen, den schmalen, halb zerfallenen Felsvorsprung zu betreten, der zu der Höhle hinführte. Die trittsichere Iscalda konnte den gefährlichen Pfad bewältigen, aber Schiannath hätte sich beinahe selbst umgebracht bei dem Versuch, den verwundeten Mann und das schwachsinnige Vieh, das die Khazalim ein Pferd nannten, in die Höhle hinaufzubekommen. Als er das endlich geschafft hatte, mußte er den ganzen Weg noch einmal hinunterlaufen, um ihre Spuren zu
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