Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
sich nun dieselbe Stimme, die vorher gesprochen hatte. »Bei Tharas Titten, Mädchen – ich hätte dich um ein Haar für einen Rumtreiber gehalten und aufgespießt! Was, bei allen schwärenden Höllen, hast du mitten in der Nacht hier draußen zu suchen?«
Beinahe geistesabwesend senkte der Wachmann das Schwert, und seine Nachlässigkeit war eine solche Erleichterung für Zanna, daß sie plötzlich ihre Stimme und ihren Verstand wiederfand. »Das war nicht meine Idee«, murmelte sie verdrießlich. »Lady Eliseth kann nicht schlafen, hm? Sie reißt mich aus dem Bett – nachdem ich die halbe Nacht aufgewesen bin und mir die Augen verdorben habe für ihre blöde Näherei – und schickt mich runter, damit ich ihr was zu essen hole.« Zum Beweis hielt sie dem Wachposten ihren Korb hin.
»Also hör mal, Mädchen – ich weiß ja nicht, was für ein Spielchen du da treibst, aber die Wache, die vor uns Dienst getan hat, hat erzählt, die Lady sei kurz nach Mitternacht ausgegangen. Hat sich einfach ohne ein Wort zu sagen am Pförtnerhaus vorbeigedrückt, aber der junge Feddin hat sie trotzdem gesehen. Und seit ich im Dienst bin, ist sie nicht zurückgekommen. Also, was sagst du dazu?«
»Dazu sage ich, daß du im Dienst geschlafen haben mußt«, erwiderte Zanna kühn. »Die Lady ist doch schon vor Stunden zurückgekehrt. Möchtest du vielleicht mit mir nach oben in den Turm stiegen und ihr erklären, daß du sie nicht gesehen hast?« Sie stand steif wie ein Stock da, damit ihre Knie nicht zitterten, und betete zu allen Göttern, daß die Männer nicht genug Mumm hatten, um die Probe aufs Exempel zu machen. »Ich würde es ja nicht tun, wenn ich an eurer Stelle wäre«, fügte sie hinzu, als sie sah, daß die beiden zögerten. »Sie ist schlimmer als ein wildgewordener Stier, wenn sie nicht schlafen kann.« Um das Maß vollzumachen, schob sie sich nun das Haar aus dem Gesicht und ließ die beiden Wachen einen Blick auf die Schwellungen werfen, die Janoks Fäuste hinterlassen hatten.
Glücklicherweise hatten diese Muskelpakete von Söldnern, genau wie Zanna vermutet hatte, allergrößte Ehrfurcht vor dem Zorn der Wettermagusch.
»Das ist ja alles schön und gut, aber was hattest du in der Krankenstube zu suchen?« fragte der andere Wachposten, um hastig das Thema zu wechseln.
Zanna seufzte vor Erleichterung. Hier zumindest konnte sie die Wahrheit sagen – oder jedenfalls beinahe die Wahrheit. »Sie wollte ein paar Kräuter, um sich einen Schlaftrunk zu bereiten. Und ich bin schon sehr spät dran, weil ich meine Laterne auf dem Hof habe fallen lassen und es nicht wagte zurückzugehen, um mir eine andere zu holen. Bitte – könnt ihr mir nicht dabei helfen zu suchen, was sie haben will, damit ich, so schnell ich kann, wieder zurückkomme? Bei ihrer augenblicklichen Stimmung habe ich Angst, sie warten zu lassen.«
»Natürlich helfen wir dir, Kleine«, erwiderte der erste Wachmann freundlich. »Es tut mir leid, daß wir dich aufgehalten haben, weißt du – aber das ist eben unsere Aufgabe hier. He, Marek, gib mir mal diese verdammte Laterne da. Das arme Mädchen muß doch sehen können, was es tut.«
Da Aurians Anweisungen ausgesprochen genau gewesen waren, fand Zanna die benötigten Kräuter ohne weitere Schwierigkeiten. Dann verabschiedete sie sich von den Wachen und eilte mit zitternden Knien zurück über den Hof zum Turm der Magusch. Bei den Göttern, das war wirklich knapp gewesen – und noch war die Gefahr nicht vorüber! Warum, zum Teufel, war die Lady Eliseth ausgerechnet heute nacht ausgegangen? Nun, Zanna konnte nur beten, daß sie genug Zeit haben würde, ihren Vater zu befreien, bevor die Magusch wirklich zurückkam und der ganze Schwindel aufflog.
»Könnt ihr zwei hübschen, schwer arbeitenden Herren vielleicht ein wenig Wein brauchen, um euch die Nacht etwas angenehmer zu machen? Ich habe ihn eigentlich für Lady Eliseth geholt, aber sie schläft – und wir wollen ihn doch nicht verschwenden, oder?« Zanna streckte den beiden Wachen vor Vannors Tür hoffnungsvoll den Korb hin. Da sie noch nie in ihrem Leben versucht hatte, kokett zu sein, konnte sie sich nur auf die Geschichten der Küchenmägde und auf Erinnerungen stützen, wie sich ihre ältere Schwester den Jungen gegenüber immer benommen hatte. Hoffentlich packte sie es richtig an! Zanna hatte mit Soldaten genausowenig Erfahrung wie im Flirten, sonst hätte der Erfolg ihrer List sie nicht sosehr überrascht. Wenn Wein im Spiel war, mußte
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