Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
der Kerze. Dann schob sie ihre freie Schulter unter Vannors Arm und half ihrem Vater auf die Beine, bevor sie ihn zur Treppe und von dort aus in die unergründliche Dunkelheit dahinter führte.
14
Durch Feuer …
»Wie viele Wachposten haben sie aufgestellt?« fragte Anvar den Moldan.
»Einen direkt um die Ecke, da wo die Korridore aufeinanderstoßen«, erwiderte Basileus. »Zwei im Eingang und die übrigen in der Vorratskammer, wo sie die Gefangenen bewachen – insgesamt ein Dutzend.«
»Ein Dutzend?« Anvar stöhnte entsetzt. Wie sollte er mit so vielen Männern fertigwerden? Aurian, die von dem größten Schwertkämpfer der Welt unterwiesen worden war, hatte sich während des größten Teils ihres Lebens in den Kampfkünsten geübt – sie hätte es vielleicht in Erwägung gezogen, es mit zwölf Männern gleichzeitig aufzunehmen, aber Anvar kannte seine Grenzen. Vielleicht konnte er seine Gegner einfach aus der Zeit herausnehmen … Doch als er die Hand nach der Harfe ausstreckte, die er gewöhnlich auf dem Rücken trug, fiel ihm ein, daß er sie in der ganzen Hektik und Verwirrung in seinem Zimmer gelassen hatte. Er fluchte erbittert. Wie hatte er nur so dumm sein können? Und vor allem, was sollte er jetzt tun?
»Fürchte dich nicht, Zauberer«, sagte der Moldan zu ihm. »Ich werde sie ablenken. Sei bereit, wenn ich dir das Zeichen gebe.«
Anvar preßte sich an die Wand und wartete, wobei er mehrfach schlucken mußte, um seine von der Nervosität trocken gewordene Kehle zu befeuchten. Und während sich seine Hand um den Schwertgriff schloß, der sich kalt und schlüpfrig anfühlte, konnte er mit seinen Maguschsinnen den prickelnden Puls des Lebens in den Silbervenen des glatten, dunklen Steins hinter sich spüren. Wie, um alles in der Welt, fragte er sich, wollte Basileus die Wachen ablenken? Was konnte ein unbelebtes Wesen wie ein Moldan schon tun, um den Ausgang des bevorstehenden Kampfes zu beeinflussen? Anvar brauchte seine ganze Selbstbeherrschung, um nicht auf der Stelle seinen Körper zu verlassen und sein Bewußtsein nach oben zu schicken, um zu sehen, was dort vor sich ging. Aber er war klug genug zu wissen, daß das ein törichter Fehler gewesen wäre. Was würde geschehen, wenn noch mehr Xandim-Rebellen hier entlangkämen, solange er nicht in seinem Körper war? Nein – er mußte Basileus wohl vertrauen und einfach abwarten.
Schiannath konnte seinen Zorn über den niederträchtigen Verrat seiner Landsleute kaum beherrschen. Obwohl er hilflos war – er lag mit gefesselten Händen und Füßen direkt an der Mauer des Vorratsraumes –, hielt ihn das nicht davon ab, darüber nachzudenken, wie er sich gegen sein Schicksal auflehnen könnte. Das Blut tropfte ihm von einer Schnittwunde an der Stirn in die Augen, und er hatte am ganzen Körper Schrammen und Prellungen von den Schlägen, die er empfangen hatte, denn er und Yazour hatten ihre Freiheit teuer verkauft. Aber seine Wunden machte Schiannath viel weniger Sorgen als die entsetzliche Angst, wieder einmal durch sein eigenes Volk gefangen und versklavt zu werden. Seine Rückkehr aus dem Exil war wie das Erwachen aus einem schlimmen Alptraum gewesen, und jetzt, so schien es, würde der Alptraum von neuem beginnen. Was würden sie ihm diesmal antun?
Um die Panik zu beherrschen, die wie würgende Galle in ihm aufstieg, wandte Schiannath seine Aufmerksamkeit den Dingen zu, die um ihn herum vor sich gingen. Warum hatten die Xandim plötzlich gegen Parric rebelliert? Auch wenn der Rudelfürst ein Fremdländer war, so hatte er doch den Kampf um dieses Amt in jeder Hinsicht fair erstritten – und außerdem hatte er versprochen, zurückzutreten, sobald seine Gefährten gerettet waren. Da die dunkle Phase des Mondes morgen nacht die Chance bot, einen neuen Führer zu wählen, war dieser Aufstand doch sinnlos, oder? War die Xandimtradition, daß alle Fremden sterben mußten, wirklich so wichtig? Soweit es Schiannath betraf, waren ihm diese seltsamen Nordländer bessere Freunde gewesen als irgend jemand seiner eigenen Rasse – mit Ausnahme von Iscalda natürlich.
Iscalda! Was würde jetzt mit seiner Schwester geschehen? Man konnte davon ausgehen, daß er und Yazour nicht die einzigen Opfer dieses feigen Angriffs waren. Was war aus Anvar geworden? Und aus Aurian, die sich seine ewige Dankbarkeit verdient hatte, als sie ihn – wenn auch nur für allzu kurze Zeit – wieder in den Schoß seines Volkes führte? Hatte man auch ihnen
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