Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
Kleines. Hier ist niemand außer uns. Wenn wirklich jemand dort gewesen wäre, meinst du nicht, wir hätten ihn gehört? Und wenn er uns Böses wollte, würden wir das mittlerweile wissen. Wahrscheinlich hast du eine Statue oder so etwas gesehen, das ist alles. Es überrascht mich nicht, daß es dich erschreckt hat. Ich an deiner Stelle würde immer noch laufen, was das Zeug hält.« Er kicherte, und Zanna spürte, wie die Angst langsam von ihr abfiel.
»Na, komm schon«, sagte Vannor. »Hast du die Zündhölzer in deiner Tasche? Du hast mir die Kerze aus der Hand geschlagen, aber sie müßte eigentlich noch irgendwo hier auf dem Boden liegen. Laß uns Licht machen, damit wir uns diesen ›Mann‹ nachher ansehen können.«
Dann ließ Vannor sie los und ging in die Hocke, um nach der verlorenen Kerze zu suchen, während Zanna in ihrer Tasche nach dem Kästchen mit den Zündhölzern tastete. Nach einigem Gefummel und ein oder zwei Flüchen von Vannor schafften sie es, den Docht zu entzünden, und Zanna blinzelte, während der Raum um sie herum sich langsam erhellte.
»Also, dann wollen wir uns diese Statue oder was immer es ist einmal ansehen.« Unbeholfen zog Vannor mit der linken Hand das Schwert, das er dem toten Wachposten im Maguschturm abgenommen hatte. (Er hatte beim Anblick der beiden Soldaten die Augenbrauen hochgezogen und Zanna einen langen, nachdenklichen Blick zugeworfen; aber bisher hatte er es sich – der Vorsehung sei Dank – versagt, ihr irgendwelche diesbezüglichen Fragen zu stellen.)
»Es tut mir leid, Kleines, aber du mußt die Kerze für mich halten«, sagte er zu ihr. Zanna nahm sie widerstrebend entgegen und hielt sie hoch, während sich Vannor dem dunklen Alkoven zuwandte. Obwohl sie ihm mit der Kerze folgen mußte, sorgte sie doch dafür, daß er immer zwischen ihr und dem war, was da in dieser Nische lauern mochte. Zwar hatte ihr Verstand die Erklärung ihres Vaters akzeptiert, doch die Erinnerung an ihr Entsetzen war noch frisch genug, um stärker als ihr Mut zu sein.
Unerwartet prallte sie gegen Vannor, als dieser jäh stehenblieb und sich nicht mehr von der Stelle rührte, als sei er zu Stein erstarrt. »Sieben verfluchte Dämonen!« schrie er. »Das ist unmöglich!«
Zanna richtete die Kerze, die sie gefährlich schräg gehalten hatte, wieder auf, als ihr Vater herumfuhr und sie mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen ansah. »Was ist da, Vater?« stieß sie hervor. »Du machst ein Gesicht, als hättest du einen Geist gesehen.«
»Habe ich auch – oder jedenfalls fast, verdammt noch mal.« In seiner Aufregung schien Vannor vergessen zu haben, daß er mit seiner Tochter sprach. Er schob sein Schwert in die Scheide und rieb sich mit zitternder Hand die Augen. »Ich kann es einfach nicht glauben.« Er schüttelte den Kopf. »Was, zum Teufel, treibt dieser Bastard da?«
»Von wem sprichst du?« wollte Zanna wissen.
»Von dem Erzmagusch«, sagte Vannor wütend. Plötzlich wurde ihm Zannas Anwesenheit wieder bewußt, und er schien sich zusammenzureißen. »Tut mir leid, Kleines«, sagte er seufzend. »Es ist nur – na ja, es war ein ziemlicher Schock. Ich habe vergessen, daß du nicht wußtest …«
»Daß ich was nicht wußte?« Zanna schrie ihn beinahe an. »Vater, was ist hier los? Was hast du da drin gesehen?«
»Du solltest besser auch einen Blick hineinwerfen.« Dann nahm er sie bei der Hand und zog sie neben sich. »Hab keine Angst – der arme Kerl kann dir nichts tun …«
Der Rest seiner Worte ging in Zannas Entsetzensschrei unter. In der Nische stand eine hochgewachsene Gestalt, steif und leblos wie eine Statue, aber unverkennbar ein Mann.
»Es ist ja alles gut, Mädchen.« Der feste Griff von Vannors Hand war ein großer Trost, obwohl die Angst, die aus seiner Stimme klang, seine Zuversicht Lügen strafte.
»Wer ist – wer ist das?« flüsterte Zanna. Jetzt sah sie auch, was sie beim ersten Mal, als sie von panischem Schrecken beherrscht wurde, übersehen hatte: daß der seltsame Mann von einem schwachen, silberblauen Schimmer umgeben war, der nur ein Zauber sein konnte. Wie winzige Lichtzungen krochen Fäden aus hellerem Blau in einem wilden Netzwerk kreuz und quer über seinen Körper und durch seine lange, mit silbernen Strähnen durchzogene braune Mähne. Zanna betrachtete das in gräßlichem Entsetzen verzerrte Gesicht und glaubte, in den feingemeißelten Knochen und dem Leuchten der glasigen, blaugrauen Augen eine Ähnlichkeit mit den Magusch zu
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