Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
erkennen.
»Das ist Finbarr. Der arme Finbarr. Du hast ihn natürlich nie kennengelernt, oder? Aurian und ich haben immer Witze darüber gemacht, daß man ihn nie aus seinen Archiven wegbekommen könnte.« Die Stimme ihres Vaters klang, als sei er den Tränen nah, aber als Zanna einen verstohlenen Blick auf seine Augen warf, sah sie, daß diese immer noch trocken waren. »Er hat uns das Leben gerettet, als die Todesgeister angriffen, und uns die Zeit verschafft, die wir brauchten, um fliehen zu können. Aber …« Er runzelte verwirrt die Stirn. »Aurian sagte, er sei getötet worden – sie hat gespürt, wie er starb. Warum sollte Miathan Magie auf die Bewahrung seines Leichnams vergeuden? Das Ganze würde nur dann einen Sinn ergeben, wenn Aurian sich irgendwie geirrt hätte und Finbarr doch nicht tot wäre …« Dann wandte er sich abrupt zu Zanna um. »Nun, welche Erklärung auch dahinterstecken mag, wir können nichts unternehmen. Aber die Lady Aurian sollte so schnell wie möglich davon erfahren.«
»Möchtest du, daß ich noch einmal versuche, Kontakt mit ihr aufzunehmen?« Zanna tastete nach dem kostbaren Kristall in ihrer Tasche.
»Nicht jetzt, Kleines. Wir haben hier schon genug Zeit verloren. Ich glaube, wir sollten diese Tunnel besser hinter uns bringen, bevor mich meine Kräfte endgültig verlassen.« Er stöhnte. »Ach, was gäbe ich jetzt für ein warmes Bett, ein loderndes Feuer und eine Flasche guten Wein …«
Zanna nahm seinen Arm. »Das sollst du alles bekommen, sobald wir hier raus sind, das verspreche ich dir.«
»Falls wir hier überhaupt jemals rauskommen«, murmelte Vannor grimmig.
Diese Worte ließen Zanna frösteln, und unter ihre schreckliche Angst mischte sich plötzlich heißer Zorn darüber, daß er sie so erschrecken konnte. Andererseits wurde sie dadurch nur in ihrer Entschlossenheit bestätigt. Verdammt – sie hatte ihren Vater gerettet, obwohl alles dagegengesprochen hatte, und sie waren schon so weit gekommen! Zanna biß die Zähne zusammen. Ich werde hier rausfinden, und wenn es das Letzte ist, was ich tue, dachte sie zornig.
Traurig nahmen sie ein letztes Mal schweigend Abschied von Finbarr. Obwohl Zanna ihn nicht gekannt hatte und nicht wußte, ob der Archivar jenseits der Schranken des Zaubers lebte oder tot war, brach es ihr doch fast das Herz, ihn hier zurücklassen zu müssen. Irgendwie erschien es ihr falsch, den Magusch abermals der einsamen Dunkelheit zu überlassen.
Einige Stunden später konnte Zanna für nichts und niemanden mehr Mitleid erübrigen als für sich selbst und ihren Vater. Ausgehungert, mit schmerzenden Füßen und erschöpft wie sie war, hatte sie langsam das Gefühl, ihr ganzes Leben auf der Wanderschaft durch diese kalten, feuchten, endlosen Katakomben verbracht zu haben; hatte das Gefühl, dazu verdammt zu sein, bis zu ihrem Tode dort zu bleiben. Was ihren Vater betraf, so war dieser schon vor langer Zeit an der Grenze seiner Kraft angelangt und hielt sich nur noch mit schierer Sturheit aufrecht. Das gequälte Schnarren von Vannors unregelmäßigem Atem war schon seit einer ganzen Weile eine Folter für seine Tochter, genauso wie das zögernde, schlurfende Geräusch seiner unsicheren Schritte.
Vannor trieb sich mit übermenschlicher Selbstbeherrschung immer weiter, obwohl seine verletzte Hand ihn jetzt in ein kreischendes Meer des Schmerzes gestürzt hatte und es immer schwerer wurde, gegen die Benommenheit anzukämpfen, die sich durch Blutverlust und Angst seiner bemächtigt hatte. Zanna war so tapfer gewesen, aber er spürte, daß ihre Zuversicht langsam schwand, und wußte, daß nicht nur Müdigkeit und Hunger daran schuld waren. An ihrer angespannten Miene und dem betont fröhlichen Blick, der die kaum erkennbare Sorgenfalte zwischen ihren Brauen Lügen strafen sollte, konnte er sehen, daß die Angst um ihn ihr den Mut raubte. Armes Kind – das war nicht recht. Sie hatte so viel für ihn erduldet – hatte mehr Mut und Verstand bewiesen als er selbst von einem Sohn hätte erwarten können. Aus den Leichen, die er vor seinem Gefängnis im Maguschturm gesehen hatte, schloß er, daß sie für ihn sogar getötet hatte – und das, obwohl sie kaum mehr war als ein Kind und noch dazu eines, das bis vor kurzem immer behütet und verwöhnt worden war. Er mußte weiter, und sei es nur, um ihr die Tapferkeit und Treue zu vergelten.
Die Kerze in Zannas Hand war zu einem weichen, flackernden Stumpen heruntergebrannt, der ihr jetzt mit seinem heißen
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