Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
genau wie jene gewesen, die damals dazu geführt hatten, daß Anvars Mutter Ria im Feuer umkam – aber diesmal war Sara selbst das Opfer der Flammen gewesen. Sie erinnerte sich daran, daß sie wieder und wieder geschrien hatte, während die Flammen um sie herum aufschossen und gierig nach ihren Kleidern und ihrem Haar schnappten – und statt das Feuer zu löschen, schürte Anvar es noch, war er derjenige, der sie verbrannte. Mit einem Ball Maguschfeuer in der Hand stand er grinsend über ihr. »Jetzt wirst du nie wieder ein Kind bekommen können …« Mit einem Angstschrei verbarg Sara ihr Gesicht in den Händen.
»Herrin, was, im Namen des Schnitters, treibst du hier? Komm sofort da weg! Haben die Wüstenwinde dir deinen Verstand geraubt, daß du dich da draußen der ganzen Welt präsentierst?« Das schrille Zischeln, das ihre düsteren Überlegungen durchdrang, klang gereizt und erschrocken. Sara schnappte nach Luft und fuhr herum – aber es war die Stimme selbst, die sie erschreckt hatte, nicht die Person, der sie gehörte.
Das dünne Lispeln von Zalid hätte sie überall erkannt; er war der oberste Eunuch des Serails, Frauenlieferant für den Khisu – und der einzige Mensch in diesem Palast, dem sie, vertrauen konnte. Gerade in diesem Augenblick war Sara überglücklich, ihn zu sehen, obwohl es den Anschein hatte, als beruhe dies nicht auf Gegenseitigkeit. Die lebhaften, mit goldener Farbe gemalten Muster, die Zalids kahlen Kopf zierten, zerliefen in der Hitze an den Rändern, und die vielen funkelnden Ketten um seinen Hals klirrten, so erregt war er. Sein rundliches Gesicht war von unzähligen Falten der Angst zerfurcht.
»Komm sofort hinein, Herrin«, schalt er sie. »Wo ist dein Schleier? Hast du schon vergessen, wie krank du das letzte Mal warst, als du zuviel Sonne abbekommen hast? Und was für eine Schande, wie eine einfache Hure mit bloßem Gesicht auf deinem Balkon zu erscheinen. Benimmt sich so eine Königin?«
Als Sara sich zu ihm umdrehte, stieß er einen unwilligen Schrei aus; er war so aufgeregt, daß er auch noch den letzten Anschein von Höflichkeit fahren ließ. »Das Polster! Du Närrin – wie konntest du das vergessen? Mit deiner Unbesonnenheit wirst du uns noch alle umbringen.«
»Schweig still, Zalid!« fuhr Sara den Eunuchen an. »Du benimmst dich ja wie ein altes Weib. Ich brauche das Polster noch nicht. Und wer soll mich hier schon sehen, du Einfaltspinsel? Das ganze Serail schläft.«
Zalids Schlag erfolgte völlig überraschend für sie. Seine Hand schoß vor und traf sie so hart im Gesicht, daß sie gegen das Marmorgeländer taumelte. Bevor sie noch ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, packte der Eunuch sie am Arm und schleuderte sie zurück ins Zimmer. Sara stürzte zu Boden, wobei sie sich nur mit einer Reflexbewegung davor bewahren konnte, mit dem Gesicht aufzuschlagen. Zitternd erhob sie sich wieder, noch immer ein wenig benommen von dem harten Schlag. Obwohl sie vor Wut kochte, war sie doch gleichzeitig von einer kalten, pulsierenden Angst erfüllt. »Wie kannst du es wagen, deine Khisihn zu schlagen?« fauchte sie. »Wenn Xiang zurückkommt …«
»Wenn Xiang zurückkommt und die Spione, die überall in diesem Palast lauern, ihm erzählen, was sie auf deinem Balkon gesehen haben, wird er dich in einen Sack stecken und als Futter für die großen Eidechsen in den Fluß werfen.«
Die kalte Gelassenheit des obersten Eunuchen beendete ihren Wutanfall genauso jäh, als hätte er sie noch einmal geschlagen. Zalid trat auf sie zu, und sein dunkles Gesicht war blaß vor Wut. »Nur weil der Khisu weg ist, darfst du dir nicht gestatten, unvorsichtig zu werden – nicht mal eine einzige Sekunde lang. Diese Verschwörung war deine Idee. Ich habe dich von Anfang an vor den Schwierigkeiten gewarnt, vor den Zwängen, denen du dich würdest unterwerfen müssen – und jetzt, nachdem wir einmal angefangen haben, gibt es kein Zurück mehr. Ich habe nicht die Absicht, durch deine Dummheit mein Leben zu verlieren. Du darfst nicht länger unbekleidet schlafen und auch nicht mehr nackt wie eine tollkühne Hure aus dem Norden durch deine Gemächer wandern. Du mußt dich jetzt an dieses Polster gewöhnen, bevor es lebenswichtig für dich wird. Du wirst es zu jeder Zeit tragen, ganz gleich, wie unbequem es für dich ist und wie sehr es dich erzürnen mag. Jetzt geh und leg es an – sofort!«
Als Sara zögerte, ging er drohend auf sie zu und zischte ihr seine wütenden Worte ins
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