Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
Gesicht: »Du solltest immer daran denken, daß du zwar Königin sein magst, daß ich aber in der Abwesenheit des Königs für seine Frauen zuständig bin. Es gibt viele Möglichkeiten, dich zu schlagen, ohne daß du irgendwelche Narben davonträgst – und die anderen Zeichen deiner Verletzungen werden lange vor Xiangs Rückkehr verheilt sein. Und jetzt geh – und wenn ich dich jemals wieder ohne anständige Kleider, ohne Polster und ohne geziemende Schleier sehe, werde ich dich auf eine Weise bestrafen, daß man deine Schreie bis hin in dieses gottlose, nördliche Schlangennest hören kann, aus dem du gekommen bist.«
Sara starrte ihn entsetzt an. Er meinte es ernst – und mit einem kalten, flauen Gefühl im Magen wurde ihr plötzlich klar, daß er jede noch so geringe Verfehlung ihrerseits zum Anlaß nehmen würde, sie zu schlagen. Sie hatte Zalid in diese Sache hineingezogen, und jetzt, da er nicht mehr zurück konnte, hatte er Angst, und diese Angst würde er jederzeit an ihr auslassen. Vor Furcht zitternd, eilte sie in ihre Kleiderkammer und suchte den leicht gepolsterten Sack, den sie sich mit einem Wirrwarr von Riemen um den Leib band. Sie verknotete die Stoffbänder und haßte dieses sperrige, schwere Ding schon jetzt. An die nächsten fünf Monate, in denen das Gewicht und die Dicke des Sacks deutlich würden zunehmen müssen, durfte sie gar nicht denken. Sobald sie ihr loses Gewand wieder übergestreift hatte, starrte sie ihre Silhouette in dem hohen Silberspiegel stirnrunzelnd an und fragte sich, wie, im Namen aller Götter, sie nur hatte glauben können, daß sie mit dieser Sache durchkommen würde. Aber andererseits, welche Wahl hatte ich schon? dachte sie verzweifelt.
Als sie mit Hilfe von Intrigen und klugen Schachzügen dafür gesorgt hatte, daß sie Königin wurde, hatte sie keinen Augenblick darüber nachgedacht, daß sie ja keine Kinder mehr bekommen konnte. Und sie hatte natürlich nicht damit rechnen können, daß sich der Khisu verzweifelt einen neuen Sohn wünschte, einen neuen Erben, der den glücklosen und verachteten Harihn ersetzen konnte. Während ein Monat nach dem anderen ins Land gegangen war, ohne daß sich die ersten Anzeichen für das langersehnte Kind einstellten, war Xiang ihr gegenüber immer kälter geworden, immer ungeduldiger und dafür oberflächlicher und grausamer. Als er begann, sie zu vernachlässigen und sich wieder den Schönheiten in seinem Harem zuzuwenden, wußte Sara, daß sie schnell würde handeln müssen, wenn sie ihre Position behalten wollte – und Zalid war mit seiner Macht und seinem Einfluß innerhalb des Harems der einzige, der ihr helfen konnte. Glücklicherweise hing sein Schicksal, da er derjenige war, der Xiang überhaupt mit ihr bekannt gemacht hatte, in hohem Maße von ihrem eigenen ab. Die Tatsache, daß er die neue Königin gefunden hatte, hatte ihm Reichtümer und Ansehen eingebracht; aber für jene, die versagten oder ihn enttäuschten, hatte Xiang keine Verwendung. Und wenn sich diese Königin als mangelhaft erweisen sollte, würde Zalid nicht nur seinen Lebensunterhalt verlieren, sondern wahrscheinlich auch sein Leben.
So hatten also Sara und der Eunuch nach und nach ihre Intrige geschmiedet. Zalid hatte der Königin ihr eigenes Personal zusammengesucht und einen überaus bestechlichen Arzt; sie hatten den Mann mit Gold und Juwelen überhäuft – in dem glücklichen Wissen, daß der arme Kerl nicht mehr viele Monate zu leben haben würde, um sich an seinem neuen Reichtum zu erfreuen. Sara brauchte nur so zu tun, als sei sie plötzlich launisch, wie das bei schwangeren Frauen oft geschah, und als sie Xiang darum bat, ihre Leibdiener durch ein einziges, stummes Sklavenmädchen ersetzen zu dürfen, stimmte Xiang ihrer Bitte nur allzugern zu. Der seltsame Brauch dieses Landes, in dem Frauen während der Schwangerschaft in völliger Abgeschiedenheit leben mußten, hatte ihnen im Verein mit ein paar anderen unerwarteten Ereignissen die Sache nur erleichtert.
Saras falsche Ankündigung hatte Xiang überglücklich gestimmt, aber der ersten Woge des Triumphes folgte die gärende Erkenntnis, daß der andere, ältere Erbe noch lebte. Obwohl Harihn geschworen hatte, niemals zurückzukehren, grübelte der Khisu über die fortgesetzte Existenz seines Sohnes nach und natürlich auch über die Bedrohung, die Harihn für den ungeborenen Prinzen darstellte – denn ganz nach Art derer, die immer ihren Willen durchsetzten, war er natürlich davon
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