Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
und ihre Gliedmaßen abtastete – gerade so, als sei sie, Maya, ein Pferd auf dem Markt. Die erzürnte und gedemütigte Kriegerin legte den Kopf in den Nacken, um der Frau ins Gesicht zu spucken – und erstarrte unter dem kalten, mitleidlosen Blick dieser fremdartigen Kreatur, eines Blickes, der ihr Blut in den Adern in Eis verwandelte. Die Phaerie hob warnend die Hand, und Maya schluckte ihren Speichel hastig herunter. Die Frau schlug sie trotzdem – links, rechts, einmal auf beide Seiten ihres Gesichtes –, und Mayas Kopf schien vor Schmerz zu explodieren, da die Berührung der Phaerie eine Spur brennenden Feuers hinterließ, die sich wie Säure in den gequälten Knochen ihres Schädels fraß. Maya schrie immer noch, als sie ihr die Kleider vom Leib rissen und ihr eine zarte Kette aus irgendeinem eiskalten Metall um den Hals legten. Dann öffneten sie die hohen Eisentore und stießen sie hindurch, so daß sie eine kurze Treppe hinunterfiel und nackt, atemlos und mit zerschundenen Gliedern auf dem staubigen Höhlenboden liegenblieb.
»Du Arme – ist alles in Ordnung mit dir?«
Maya, der noch immer die Tränen des Schmerzes in den Augen standen, konnte nicht sehen, wer da sprach, aber zumindest klang die Stimme weiblich, einigermaßen freundlich – und menschlich. »Das ist es natürlich nicht, verdammt noch mal«, murmelte sie undeutlich, denn sie hatte sich zu allem Übel auch noch die Lippe durchgebissen. Trotzdem tastete sie nach der Hand, die ihr hilfreich entgegengestreckt wurde und ergriff sie, um sich auf die Knie hochzuziehen. Nachdem sie Staub und Blut ausgespien und sich mit den Fingerknöcheln die salzige Feuchtigkeit aus den Augen gerieben hatte, erblickte sie eine große, knochige Frau von etwa vierzig Jahren. Die Frau, die sich über sie beugte, war bis auf ein dünnes, goldenes Halskettchen unbekleidet.
Maya strich sich zaghaft über die Wange, die noch immer unter den langsam verebbenden Nachwirkungen der schmerzhaften Kälte pochte. Dann blinzelte sie zu der Frau auf. »Wer, in Chathaks Namen, bist du denn?«
Der Gesichtsausdruck der Frau, der vorher nur Besorgnis gezeigt hatte, verriet nun einen winzigen Hauch von Ärger. »Mein Name ist Licia«, erwiderte sie. Dann zog sie die dargebotene Hand zurück und strich sich mit einer schroffen, leicht verlegenen Geste über ihr mit silbernen Strähnen durchzogenes braunes Haar, das sie zu einem strengen Knoten gebunden hatte. »Die Spitzenklöpplerin aus Nexis«, fügte sie hinzu, als erkläre das alles.
Maya rieb sich noch einmal den schmerzenden Kopf. Irgendwie mußte sie die ganze Situation wohl mißverstanden haben. Sie blickte an der Frau vorbei und stellte fest, daß sie sich in einer riesigen Höhle befand, die von den gleichen goldenen Globen beleuchtet wurde, die auch das Dach und die Wände übersäten. Von dem ebenerdigen Bereich am Fuß der Treppe, wo sie kniete, neigte sich der Boden hügelabwärts, und unter sich konnte die Kriegerin eine Ansammlung kleiner, steinerner Hütten erkennen, die um einen schimmernden, dunklen Weiher herum erbaut waren. Was, im Namen aller Götter, hat es mit diesem unheimlichen Ort auf sich?
Verwirrt wandte sie sich wieder an Licia. »Nun, wenn du aus Nexis bist, was tust du dann hier?« wollte sie wissen.
»Meine Güte, wo hast du denn die letzten paar Jahre gelebt?« Die Frau klang schockiert. »Wie ist das möglich, daß du nicht weißt, was vor sich geht?«
Die Luft in der Höhle war trocken und angenehm warm, aber Maya erbebte trotzdem und wünschte sich verzweifelt ein Kleidungsstück, mit dem sie ihre Nacktheit hätte bedecken können. In diesem Zustand fühlte sie sich unangenehm verletzlich, und deshalb fiel es ihr schwer, den Worten der Frau ihre ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Der Schlag der Phaeriefrau schien ihr Denkvermögen weit ärger beeinträchtigt zu haben, als es der Schlag eines menschlichen Wesens vermocht hätte. Und tief in ihrem Herzen wuchs ein kleines, kaltes Körnchen der Furcht heran, das sich ausdehnte wie eine keimende Saat.
Sie starrte die Frau zornig an. »Das ist doch eine blöde Frage, oder? Ich habe offensichtlich nicht die leiseste Ahnung, was hier los ist …« Dann wurde ihr plötzlich klar, daß es ihr absolut nichts eintragen würde, wenn sie diese Frau einschüchterte. Ihrer steinernen Miene nach zu urteilen, schien sie auch nicht viel von Dummköpfen zu halten.
Maya schluckte ihre wütenden Worte herunter. »Ich entschuldige mich«, seufzte sie. »Auch
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